Präsidentschaftswahl in den USA 2012: "Der teuerste Wahlkampf aller Zeiten"
Spenden kaufen Entscheidungen, sagt Lobbyismusexperte Craig Holman. Die Demokraten haben es versäumt, die Regeln zu ändern.
taz: Herr Holman, der US-Wahlkampf 2012 hat begonnen, und Präsident Barack Obama absolviert seine ersten Fundraisingtreffen. Wie teuer wird die Wahl diesmal?
Craig Holman: Es wird der teuerste US-Wahlkampf aller Zeiten. Ich schätze, er wird sieben bis acht Milliarden Dollar kosten. Dahinter verbergen sich aber nicht nur die Ausgaben der Präsidentschaftskandidaten, denn gleichzeitig stehen Kongresswahlen an.
Trotzdem wird es ein Wettstreit der Milliardäre?
Allein Präsident Obama wird alle Rekorde brechen. Er hat angekündigt, dass er eine Milliarde Dollar Spenden einsammeln will. Die Republikaner können da natürlich nicht zurückstehen. Mögliche Kandidaten wie der Immobilienmagnat Donald Trump oder der Private-Equity-Manager Mitt Romney hätten kein Problem, ebenfalls eine Milliarde Dollar für ihren Wahlkampf auszugeben.
Der letzte Präsidentschaftswahlkampf 2008 hat 5,3 Milliarden Dollar gekostet. Warum werden US-Wahlen immer teurer?
Die Wahlkampffinanzierung in den USA ist vollkommen absurd. Und 2012 wird es noch schlimmer: Der oberste Gerichtshof hat im Januar 2010 geurteilt, dass Unternehmen genauso behandelt werden müssen wie Personen - sie hätten das gleiche Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Ergebnis: Jetzt können Vorstandschefs unbegrenzt spenden, indem sie tief in die Firmenkasse greifen. Besonders die Wall Street, die Geschäftsbanken und die Gesundheitsbranche sind empört über Obamas Reformen. Sie wollen ihn aus dem Amt entfernen. Er muss also damit rechnen, dass die Republikaner Unmengen an Unternehmensspenden erhalten. Deswegen sieht er sich gezwungen, ebenfalls eine Milliarde Dollar einzusammeln.
Craig Holman arbeitet bei der US-Verbraucherschutzorganisation Public Citizen, die mehr als 225.000 Mitglieder und Unterstützer hat. Seine Schwerpunktthemen sind Wahlkampfspenden und Lobbyismus.
Die Demokraten hatten 2009 und 2010 Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Warum haben sie nicht einfach die Regeln für die Wahlkampffinanzierung geändert?
Wir haben sie dazu gedrängt. Aber die Mehrheit denkt immer, sie würde den Kongress auf ewig dominieren. Und solange man als Partei in den Meinungsumfragen führt, ist das derzeitige System sehr bequem: Das große Geld fließt immer der Mehrheitspartei zu, denn die Spenden sollen ja politische Entscheidungen kaufen.
Trotz dieser Rückschläge kämpfen Sie weiter für eine Gesetzesinitiative namens Fair Election Now Act: Die Wahlen würden dann vor allem staatlich finanziert, und private Spenden dürften 100 Dollar nicht überschreiten. Warum sind Sie nicht entmutigt?
Alle Umfragen zeigen, dass eine überwältigende Mehrheit der US-Bürger eine gerechte Wahlkampffinanzierung will, bei der nicht die Reichen und die mächtigen Firmen dominieren. Diese Zustimmung findet sich quer durch die Parteien: 69 Prozent der Demokraten und 64 Prozent der Republikaner sind dafür.
Das nutzt Ihnen aber nichts. Im Kongress werden Sie nur von einer bescheidenen Minderheit unterstützt.
Stimmt, jetzt bekommen wir keine Mehrheit für den Gesetzentwurf - noch nicht. Wir müssen auf den nächsten großen Skandal warten - und der ist unvermeidlich: Es fließt viel zu viel Geld, von dem niemand weiß, wo es herkommt und wo es hingeht.
In einigen Bundesstaaten wie Maine oder Arizona gibt es bereits eine staatliche Wahlkampffinanzierung. Allerdings hat eine Untersuchung des General Accounting Office gezeigt, dass sich nicht viel geändert hat: Die Wahlkampfkosten sind sogar gestiegen, die meisten Amtsinhaber sind wiedergewählt worden, und die Abgeordneten sind immer noch vor allem Juristen sowie Geschäftsleute
Diese Untersuchung war extrem parteiisch. Denn der entscheidende Wandel wurde ignoriert: Die Korruption hat nachgelassen. Die typischen Regierungsskandale sind nicht wieder aufgetaucht.
Viele Politiker argumentieren, dass die Wahlkampfmilliarden gar keinen Schaden anrichten können, weil es zu einer Art Overkill komme. Jede Branche und jede Lobby spendet demnach so viel, dass sich diese Gelder gegenseitig neutralisieren.
Wenn Geld keine Rolle spielte - warum versucht dann jeder, so viele Spenden wie möglich einzusammeln? Die amerikanischen Politiker verbringen schätzungsweise 30 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, Fundraising zu betreiben. Diese Zeit fehlt dann, um vernünftige Politik zu machen.
Aber ist es nicht sowieso das falsche Thema, sich auf die Wahlkampfspenden zu konzentrieren? Die mächtigen Firmen geben doch noch weit mehr Milliarden aus, um ihr tägliches Lobbying in Washington zu betreiben.
Wir haben mit Obama 2007 an einer weitreichenden Lobbyismusreform gearbeitet, als er noch Senator war. Und wir haben das Gesetz durch den Kongress gebracht! Damals haben wir das ganze Spesenrittertum untersagt, mit dem die Kongressmitglieder umworben wurden: Es gab keine Geschenke mehr, keine teuren Restaurantbesuche und keine Reisen nach Schottland zum Golfspielen. Aber die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Januar 2010 berührt nicht nur die Wahlkampffinanzierung, sondern wirkt auch auf den täglichen Lobbyismus zurück: Jetzt können die Unternehmen mit ihren unbegrenzten Spendenvolumen drohen - und jeder Politiker weiß, dass er bei der nächsten Wahl vernichtet werden kann, wenn er nicht den Lobbywünschen der Firmen folgt.
Sie wurden mehrmals von der EU-Kommission und vom Europäischen Parlament als Lobbyismusexperte eingeladen. Was haben Sie den europäischen Politikern geraten?
Anders als in den USA gibt es in Europa bisher keine Gesetze, die den Lobbyismus wirksam regeln. Man weiß nicht, wer die Lobbyisten sind, wie viel Geld sie ausgeben und welche Gesetze sie versuchen zu beeinflussen. Alles ist geheim. In den USA wissen wir immerhin, woran die Lobbyisten arbeiten.
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