Euro-Krise: Achtung, Ansteckungsgefahr!
Griechenland muss gerettet werden, heißt es. Damit Spanien und Italien nicht in die Pleite rutschen. Aber wie funktioniert diese Ansteckung eigentlich?
BERLIN taz | Die EU-Regierungen sind nervös. Am Donnerstagabend trafen sie sich erneut, um über die Eurokrise und Griechenland zu beraten. Die Hauptsorge: Wenn Griechenland in die Pleite driftet, könnte es zu einer "Ansteckung" in ganz Europa kommen.
Was ist damit gemeint?
Die Beschreibung der Symptome ist noch klar: Wenn Griechenland bankrott ist, könnten nicht nur Irland und Portugal in die Pleite rutschen - sondern auch Spanien, Italien oder Belgien. Aber wie genau verbreitet sich dieses "Pleitevirus"?
Die Antwort findet sich in einem Papier, das der renommierte belgische Ökonom Paul De Grauwe kürzlich veröffentlicht hat. Darin vergleicht er Spanien und Großbritannien, die beide stark steigende Staatsschulden aufweisen. Trotzdem reagieren die Finanzmärkte völlig unterschiedlich: Großbritannien muss für eine 10-jährige Staatsanleihe nur eine Rendite von 3,1 Prozent bieten. Bei Spanien sind es 5,5 Prozent. Die Anleger schätzen also das Risiko deutlich höher ein, dass Spanien zahlungsunfähig wird. Aber warum?
Ganz einfach: Spanien hat den Euro - und ist anders als Großbritannien nicht mehr durch eine eigene Währung davor geschützt, in eine Staatspleite zu rutschen. Diesen Zusammenhang erläutert De Grauwe mit einem Gedankenexperiment: Angenommen, die Investoren würden befürchten, dass Großbritannien demnächst pleite ist. Dann würden sie ihre Staatsanleihen verkaufen, dafür Pfund erhalten - und dieses Geld in eine andere Währung umtauschen, wo sich bessere Anlagemöglichkeiten bieten. Dieser Ausverkauf britischer Staatsanleihen würde aber ziemlich bald enden, denn der Kurs des Pfundes würde so stark sinken, dass es für die Investoren attraktiver wäre, im Pfund zu bleiben.
Britische Staatspleite ist fast ausgeschlossen
Sie würden entweder die britischen Staatsanleihen behalten oder aber die Verkaufserlöse wieder in Großbritannien anlegen. Es käme nicht zu Liquiditätsengpässen. Zudem würde das sinkende Pfund dafür sorgen, dass die britische Wirtschaft international wettbewerbsfähiger wird. Die Panik unter den Investoren würde sich also wieder legen: Sie würden erneut britische Staatsanleihen kaufen. Zudem könnte auch noch die britische Zentralbank einspringen, falls sich kein Anleger findet - und einfach selbst Staatsanleihen erwerben. Eine britische Staatspleite ist also faktisch ausgeschlossen.
Völlig anders stellt sich die Lage in Spanien, Italien oder Belgien dar. Wenn die Investoren dort nervös werden und ihre Staatsanleihen abstoßen, erhalten sie Euros, die sie ohne Umtausch außer Landes schaffen können, um sie etwa in Deutschland anzulegen. Es kommt zu einem echten Liquiditätsengpass in den gefährdeten Staaten. Zudem bleibt der Eurokurs bei diesen Transaktionen stabil, so dass auch die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Länder nicht steigt. Es ist ein Teufelskreis: Weil die Investoren einen Staatsbankrott erwarten, tritt er auch ein.
Die einzige Möglichkeit, diese "Ansteckungsgefahr" zu stoppen, wäre ein gemeinsamer Eurobond. Wenn die Investoren nicht mehr unterscheiden könnten, ob sie eine spanische oder eine deutsche Staatsanleihe kaufen, könnten sie nicht mehr gegen Spanien spekulieren.
Von einem Eurobond sind die EU-Politiker jedoch weit entfernt. Deswegen muss die "Ansteckungsgefahr" anders gebannt werden - indem man Griechenland nicht in die Pleite rutschen lässt und immer neue Rettungspakete beschließt. Diese Beruhigungspille für die Investoren ist jedoch teurer, als es die Eurobonds wären. Doch für sie gibt es bisher keine Mehrheit - schon gar nicht bei den Wählern.
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