Medienpolitik während der WM: Verband macht Vorschriften
Der DFB hat während der Frauenfußball-WM so ziemlich alle Spielerinnen-Interviews glattgebügelt und entmenschlicht. Mit beamtenhafter Sturheit.
FRANKFURT/BERLIN taz | Die Kollegen vom SZ-Magazin hatten eine gute Idee. Sie wollten einigen deutschen Nationalspielerinnen witzige Fragen stellen und deren mimische Antworten in der Rubrik „Sagen Sie jetzt nichts“ abdrucken. So weit, so gut. Umsetzen ließ sich das meiste davon aber nicht.
„Lieber ein Abend mit Löw oder Guardiola? Zeigen Sie uns Ihren Oberschenkelmuskel? Wie viel verdient man als Fußballerin? Sex vor dem Spiel: ja oder nein?“ – all diese Fragen wurden von den Benimmonkeln und -tanten der Spielerinnen zensiert. Auch nicht zulässig: Vergleiche zum Männerfußball, politische Fragen und allzu Persönliches wie Kochen. Saskia Bartusiak beantwortet dann also die extrem spannende Frage, wie viele Fußballschuhe bei ihr zu Hause stünden mit einem Fingerzeig. Es sind – potz Blitz! – acht Stück. Na wollte man das nicht schon immer wissen?
Dieses Dokument der Pressegängelung ist typisch für diese Weltmeisterschaft gewesen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und etliche Manager von Spielerinnen waren der Meinung, man könne der Öffentlichkeit ein bestimmtes Bild oktroyieren, die Presse führen und bevormunden. Das war zu einem Teil Strategie, zum anderen auch der Übervorsichtigkeit von DFB-Mitarbeitern geschuldet, die sich in der Welle der Aufmerksamkeit freischwimmen mussten. Lieber nichts falsch machen!, war die Devise. Also wurden meist alle interessanten und irgendwie knackigen Stellen in Interviews umgeschrieben oder gar gestrichen.
Aggressive Autorisierung
Manchmal wurde in den Manuskripten so wild herumgefuhrwerkt, dass sich manche Zeitungen entschieden, diese Interviews lieber gar nicht zu drucken. Die taz hat im Vorfeld der WM in einem Interview mit Fatmire Bajramaj gegen diese Praxis protestiert und nicht autorisierte Stellen trotzdem abgedruckt. Auch während der WM erschien ein Interview mit dem DFB-Vorstandsmitglied Hannelore Ratzeburg in der taz-Version.
Beim DFB ist es Usus, dass Gespräche mit Spielern und Spielerinnen, ob in großer oder kleiner Runde aufgezeichnet, vorgelegt werden müssen. Bei den Männern erledigt das der Stab von Pressesprecher Harald Stenger. Die Gesprächsmöglichkeiten mit Nationalspielern sind begrenzt, doch die Autorisierungspraxis ist in den meisten Fällen okay. Anders bei den Frauen: Hier kommt man zwar leichter an Gesprächstermine heran, aber autorisiert wird nach Steinzeitmethoden. Das gesprochene Wort wird hier nicht nur nicht respektiert, sondern verfälscht.
Es klingt doch wirklich zu salopp und lebendig, wenn die Verteidigerin Babett Peter ihrer Mitspielerin Birgit Prinz attestiert, sie habe etwas im Kopf. Nein, Peter soll in der DFB-Version gesagt haben: „Birgit Prinz ist intelligent.“ Der DFB sorgt aber nicht nur für die Entmenschlichung von Interviews. Zuweilen werden Aussagen auch mutwillig entstellt. „Irgendwie berühmt“ darf sich Peter nicht fühlen. Klingt doch viel zu abgehoben. Besser, also braver und bescheidener ist: „Ich fühle mich ein bisschen berühmt.“
Und Kritik hat in Interviews sowieso gar nichts zu suchen. Also raus mit den Vorwürfen von Assistenztrainerin Ulrike Ballweg an Dietmar Ness, den Berater von Fatmire Bajramaj, der dieser zu viele Werbetermine aufgebrummt habe. Und es mag ja stimmen, dass die U19 neulich in Italien unter Ausschluss der TV-Öffentlichkeit gespielt und den EM-Titel errungen hat, aber Frau Ratzeburg darf so etwas doch nicht in der Öffentlichkeit monieren. Wo soll das denn hinführen, wenn jede sagt, worüber sie sich zu Recht mokiert?
Allgemeiner Unmut
Auch bei der Weltmeisterschaft 2007 in China war der Unmut über die DFB-Presseabteilung groß. Obwohl nur ein paar Reporter vor Ort waren, schottete DFB-Pressesprecher Niels Barnhofer die deutschen Spielerinnen ab, als drohe Geheimnisverrat, wenn sie den Mund aufmachen. Einzeltermine waren nur nach härtesten Verhandlungen möglich. Allein die Bild-Zeitung und Spiegel genossen einen exklusiveren Zugang. Das war jetzt immerhin anders, wenngleich das Ausmaß der Gängelung kaum kleiner war.
Andere Teams haben gezeigt, wie es besser geht. Zum Beispiel die US-Amerikanerinnen. Ihre Medientage sahen so aus: Locker schlendernd nahmen Spielerinnen an verschiedenen Tischen Platz, plauderten über dies und das. Sie waren sich im Klaren, dass sie die Verantwortung für ihre Aussagen übernehmen müssen, entsprechend selbstbewusst und reflektiert äußerten sie sich. Hier war klar: Eine Zensur, sprich Autorisierung gibt es nicht. Warum auch? Das öffentliche Bild lässt sich in einem Land mit freier Presse ohnehin nicht steuern. Da kann man sich noch so sehr anstrengen.
Die Versuche des DFB, die Inszenierung zu lenken, zeigen doch vor allem eines auf: Da traut jemand den eigenen Spielerinnen nicht.
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