Philipp Röslers Investitionsgipfel: Griechenland soll deutsch werden
Beim "Investitionsgipfel" gibt die deutsche Wirtschaft Griechenland gut gemeinte Ratschläge. Und soll jetzt auch noch Geld bekommen – für Investitionen in Griechenland.
BERLIN taz | Die Erwartungen waren hochgeschraubt worden: Eine Art "Marshallplan" für Griechenland solle erarbeitet werden, hieß es im Vorfeld des "Investitionsgipfels", zu dem Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) die Spitzen der deutschen Industrieverbände am Mittwoch geladen hatte. Doch an das milliardenschwere Wiederaufbauprogramm für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte nicht das Geringste, als der Minister nach dem zweistündigen Treffen die Ergebnisse vorstellte.
Das Wichtigste, was Deutschland den Griechen anbieten will, damit die Wirtschaft dort wieder in Schwung kommt, sind gute Ratschläge. Ob beim Bürokratieabbau oder bei Privatisierungen: Die "hervorragende deutsche Verwaltung" könne auf vielen Ebenen beim "Strukturwandel" in Griechenland helfen - und dabei auf die Erfahrungen der Treuhand mit der DDR-Wirtschaft zurückgreifen.
Auch die Wirtschaftsverbände hätten angeboten, die Griechen von ihren Erfahrungen profitieren zu lassen. Wie das konkret aussehen soll? "Ich könnte mir vorstellen, dass wir pensionierte Gewerbelehrer nach Griechenland schicken, um das Ausbildungssystem zu verbessern", sagte Rösler. Diese Vorschläge stießen allerdings nicht auf uneingeschränkte Zustimmung: "Wir müssen aufpassen, dass wir in Griechenland nicht als Oberlehrer auftreten", hieß es aus Teilnehmerkreisen der Wirtschaft.
Deutsche Unternehmen und die Privatisierungen
Finanzielle Mittel für konjunkturfördernde Maßnahmen sollen die Griechen hingegen nicht bekommen. "Wir brauchen kein zusätzliches Geld", erklärte Rösler. Die deutsche Wirtschaft darf hingegen schon auf Unterstützung hoffen: Um Investitionen in Griechenland abzusichern, sollen neue Programme der staatlichen Förderbank KfW aufgelegt werden. Auf solche Anreize hatte etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie im Vorfeld des Treffens gedrängt.
Zudem will sich der Wirtschaftsminister als Türöffner betätigen, damit deutsche Unternehmen bei den anstehenden Privatisierungen in Griechenland zum Zuge kommen. Auf zwei Reisen in das krisengeschüttelte Land will sich Rösler Wirtschaftsdelegationen mitnehmen - eine kleine im August, eine große im Oktober. Besonders gute Chancen für Investitonen sieht er in den Bereichen erneuerbare Energien, Telekommunikation und Infrastruktur. Konkrete Zusagen für Investionen in Griechenland gab es von den zwanzig anwesenden Wirtschaftsverbänden am Mittwoch nicht.
Dass es sich bei seiner "Investitionsinitiative" nur um ein Exportförderprogramm für die deutsche Industrie handele, wies Rösler am Mittwoch zwar empört zurück. Aber inwieweit die griechische Konjunktur davon profitieren soll, wenn deutsche Konzerne dort künftig Windparks errichten oder Flughäfen betreiben - diese Antwort blieb der Minister schuldig.
Leser*innenkommentare
guntherkummerlande
Gast
Es werden Arbeitsplätze geschaffen
und die Energieparks werfen Gewinne ab,
die in Griechenland mit Steuern
belegt werden und an Familien ausgeschüttet
werden sollen.
Vattenfall,RWE und Eon lassen sich
ihre Kraftwerke auch von anderen bauen
und das soll hier genau so sein.
Die Griechen müssen dann durch Wirtschafts-und
Staatsverträge zu Festpreisen und
genau regulierten Mindest-und Maximalstrommengen
dann 10% des deutschen Strombedarfs liefern.
(Die Details wurden früher schon zig mal beschrieben.)
Die Treuhandgesellschaften waren tatsächlich
eine Mißerfolgsstory. Die dort erzielten
Verluste würden im Falle Griechenland
zu Deutschenhass führen.
Von der Treuhandmafia würde ich Abstand nehmen.
Damit macht man sich keine Freunde!
Wd. Beobachter
Gast
Zitat ama.dablam:
"Es ist ziemlich simpel: wenn in Griechenland, durch wen auch immer, Gewinne erwirtschaftet werden, z.B. in den Bereichen Solarstrom, Tourismus, dann sind diese nach dem Prinzip der Betriebsstättenbesteuerung primär in Griechenland zu versteuern - der griechische Fiskus braucht bekanntlich Geld.
Wo zum Teufel liegt Euer Problem?"
Hier in der Dominikanischen Republik kann man das Verfahren quasi live beobachten: Investoren, in diesem Fall aus den USA, betreiben Hotels und Hotelketten. Der Staat geht dank Steuern nicht ganz leer aus, doch die Gewinne aus dem Tourismus werden ins Ausland transferiert.
Das Ergebnis des Wirtschaftens sind nicht die Steuern, sondern die Gewinne. Wer das nicht kapiert, ist Teil des Problems.
daweed
Gast
die FDP wird momentan seinem Namen gerecht, Fast-Drei-Prozent und keiner wundert sich.
Das Rösler keine Ahnung von Korporatismus zwischen Staat und privaten Unternehmen hat darf auch bezweifelt werden.
Nach dem Vorbild der Treuhand eine Gesellschaft zu gründen die staatl. Institutionen in private Hand überführt, ist doch auch ein Erfolg gewesen, zumindest für die Staatsverschuldung der BRD.
BeBe
Gast
Das Problem:
EU Fördergelder nützen nur, wenn es den einheimischen griechischen Firmen gelänge daraus Arbeitsplätze, Investitionen usw. zu generieren.
Bei Aufträgen an deutsche Firmen wandern die Fördergelder als Konzerngewinne grösstenteils wieder ab. Ein Aufbau griechischer Firmen wird somit erschwert. Es gibt schlicht wenig Firmen dort die grosse Infrastrukturprojekte stemmen könnten.
Was steckt also hinter Röslers Aktion?
Es gilt vermeintliche Themen zu besetzen - also weniger um die Rettung Griechenlands als die der FDP.
ama.dablam
Gast
Etwas anderes als "Exportförderprogramm/Imperialismus" war eigentlich weder vom Redakteur noch von deviant zu erwarten.
Es ist ziemlich simpel: wenn in Griechenland, durch wen auch immer, Gewinne erwirtschaftet werden, z.B. in den Bereichen Solarstrom, Tourismus, dann sind diese nach dem Prinzip der Betriebsstättenbesteuerung primär in Griechenland zu versteuern - der griechische Fiskus braucht bekanntlich Geld.
Wo zum Teufel liegt Euer Problem?
Nina
Gast
Zu deviant: Wie wäre eine Erweiterung um aggressiver Kapitalismus und Neoliberalismus?
Gibt es das Buch "Schockstrategie" von Naomi Klein eigentlich schon auf griechisch? Wenn ja, werden unsere südlichen Nachbarn hoffentlich so schlau sein den neoliberalen Imperialisten samt Gefolge gar nicht erst in ihr Land zu lassen.
Wenn nicht - kalhnucta
karl may
Gast
Ist doch klar wer profitiert: Der Holzfäller, der die letzten Bäume wegknallt, damit die Dreckswindräder für die Klimaanlagen überhaupt auf die Berge und Inseln kommen. Bereits der LKW-Fahrer wird eingeflogen, weil er Spezialist ist.
Auf Naxos kann man sehen, wie das mit dem Alternativtourismus geht: Da werden griechische Wildcamper, die eins der letzten Naturparadiese seit 20 Jahren erhalten, nächtens von gedungenen Schläger überfallen:http://en.contrainfo.espiv.net/2011/07/27/naxos-island-open-assembly-and-overnight-stay-in-aliko-beach/
Die Nachhilfelehrer in Rente können dann ja schon mal anfangen Griechisch zu studieren oder wie funktioniert das mit dem Übersetzen, wo sich alle Familien für Privatlehrer verschulden müssen?
Stefan K.
Gast
"...und dabei auf die Erfahrungen der Treuhand mit der DDR-Wirtschaft zurückgreifen."
Die das gesamte volkseigene Tafelsilber für einen Penny verscherbelt hat - die Last tragen wir immer noch, den griechen wird es nicht anders gehen.
Ideologien haben so ihre Schwächen - jedenfalls für die Mehrheit der Bevölkerung.
Satyr
Gast
Investitionsgipfel?
Na, das ist ja wirklich der Gipfel:
Da will unser Rösler doch tatsächlich den Griechen
Bürokratieabbau verordnen.
Ganz schön schräg, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet
Bürokratieabbau zu den Hausaufgaben zählt, an denen sich
die deutsche Politik seit Jahren (Jahrzehnten?) vorbei mogelt.
Satyr
Gast
Investitionsgipfel?
Na, das ist ja wirklich der Gipfel:
Da will unser Rösler doch tatsächlich den Griechen
Bürokratieabbau verordnen.
Ganz schön schräg, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet
Bürokratieabbau zu den Hausaufgaben zählt, an denen sich
die deutsche Politik seit Jahren (Jahrzehnten?) vorbei mogelt.
Thomas Fluhr
Gast
Die deutsche Wirtschaft hat schon keine Skrupel gehabt die ehemalige DDR auszuplündern, alles von Wert für sie, danach kann mit Aufbau-Ost der Steuerzahler aushelfen. So wird's in Griechenland auch werden. Alles unter den Nagel reissen, danach wird mit Steuern aufgebaut, wobei natürlich die Wirtschaft kräftig zulangt. Außer der Wirtschaft hat niemand dazu gelernt.
vic
Gast
Eine kleine Reisegruppe, bestehend aus der Wirtschafts-Elite Deutschlands, hat der nette Herr Rösler auch schon zusammengestellt (schreibt die Süddeutsche)
deviant
Gast
Wieder was gelernt; kann mal jemand die Thesauri überarbeiten und "Wiederaufbau" zu "die Freiheit bringen" hinzufügen als Synomyme für Kolonialismus und Imperialismus?
Wenigstens dürfte jetzt auch dem letzten klar sein, warum Deutschland den Griechen aufgedrängt hat, sein Tafelsilber zu verkaufen: Damit deutsche Firmen es billigst aufkaufen können.