Kommentar U-Bahn-Schläger: Die Lehre aus Giuseppe Marconis Tod

Härtere Urteile gegen U-Bahn-Schläger helfen nicht weiter. Nötig sind endlich wirksame Konzepte gegen die testosterongesteuerten Schläger.

Sie heißen Ali T., Torben P. oder Mehmet S. Sie sind jung und trinken viel, in der Nacht oder schon am nächsten Morgen landen sie mit ihren alkoholisierten Kumpels im Bus, in der S- oder U-Bahn. Dort pöbeln, schlagen, stechen oder treten sie. Ihre Opfer sind jung und männlich, manchmal enden die Attacken tödlich, oft überleben die Angegriffenen mit schweren gesundheitlichen Schäden oder tragen zumindest psychische Beeinträchtigungen davon.

Die Fälle landen vor Gericht, Urteile werden abgewogen und gefällt. Oft fallen sie sehr mild aus, zu mild – wie man immer wieder denkt. So auch im Fall der tödlichen Flucht auf dem Kaiserdamm. Die Angeklagten, der 21-jährige Ali T. und dessen bester Freund, der 22-jährige Baris B., kommen mit Bewährungsstrafen davon.

Der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt gibt sich viel Mühe bei der Begründung, warum die 35. Große Strafkammer nicht drastischere Sanktionen verhängte. Das Geständnis, das die Täter noch am selben Tag ablegten, wurde in die Waagschale geworfen, ebenso die Wochen beziehungsweise Monate, die sie in der Untersuchungshaft verbrachten, sogar die schwere Attacke eines Mithäftlings, der Ali T. in seiner Zelle ausgesetzt war, wurde angerechnet.

ist freie Journalistin.

Am meisten aber profitierte der Schläger und Provokateur von der Ansicht der Richter, dass er das „selbstgefährdende Fluchtverhalten“ seines Opfers nicht habe voraussehen können. Es sei vielmehr eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, dass sich in der Ruhe, die an jenem Septembermorgen auf dem fünfspurigen Kaiserdamm herrschte, ausgerechnet ein Auto fand, dass den 23-jährigen Guiseppe Marconi erfasste und mit dem Kopf gegen einen Ampelmast schleuderte.

All dies ist sicher richtig, doch es lindert nicht die Empörung über das, was die beiden Verurteilten angerichtet haben. Andererseits hätte auch ein härteres Urteil kaum die nächste U-Bahn-Schlägerei, die nächste Messerstecherei im Bus verhindert. Es fehlen vielmehr Konzepte, wie man dem steten Übel der alkoholisierten, testosterongesteuerten Schläger wirksam begegnen kann. Video-Überwachung und Notrufsäulen sind Maßnahmen, die erst dann greifen, wenn die Opfer bereits auf dem Bahnsteig liegen, sie erhöhen nicht die Sicherheit.

Die Angehörigen von Guiseppe Marconi setzen sich jetzt für wirksame Konsequenzen ein. Sie wollen, dass der Tod ihres Sohnes, ihres Bruders zu Veränderungen führt, sie sammeln Unterschriften und wenden sich mit einer Petition ans Abgeordnetenhaus. „Diese Haltung verdient Respekt“, hat der Richter am Donnerstag erklärt. Dem kann man sich nur anschließen.

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