piwik no script img

Streit um das Urheberrecht im NetzIm Gespräch bleiben

Der „Netzgemeinde“ haben die Drehbuchautoren der Tatort-Reihe einen Brief geschrieben. Der Chaos Computer Club hat geantwortet – und im Privaten geht der Austausch weiter.

Digitaler Streit um das Urheberrecht. Bild: complize / photocase.com

BERLIN taz | Die Tatort-Autoren holen weit aus, wenn sie sich bei der Netzgemeinde, aber auch den Grünen, den Piraten und Linken über die Verletzung ihrer Urheberrechte beklagen: Von Lebenslügen und historischen Kompromissen ist da die Rede, von Grundrechten und der bösen Umsonstkultur.

Natürlich geht es um die Geldbörse und genau in die schaut der Chaos Computer Club, der eine so eloquente wie furiose Antwort auf den offenen Brief verfasst hat. Wie Dirk Engling vom CCC anmerkt, hatte man dort nicht erwartet, dass diese Antwort so viel Wind aufwirbeln würde. In Blogs, auf Twitter und Facebook, aber auch in traditionellen Medien wird der Brief seit Erscheinen ausführlichst zitiert. Anlass für die Replik war unter anderem das etwas zufällig erscheinende Konglomerat der Adressaten des ursprünglichen Schreibens.

Gleich zu Anfang stellt sich der Club formal auf die Seite der Drehbuchschreiber, auch sie seien als Programmierer, Hacker, Musiker und Autoren Berufsurheber. Damit hörten jedoch die Gemeinsamkeiten auf. Bei den Tatortschreibern handele es sich „prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite ... und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.“

Es folgt eine Belehrung, die den Tatortautoren das Blut ins Gesicht steigen lassen dürfte; je nach Konditionierung vor Scham oder Wut. Sie merken an, dass das Dreinschlagen auf die vermeintliche Kostenloskultur der Internetnutzer auch als Unfähigkeit der Urheber interpretiert werden kann, sich mit ihren Auftraggebern zu konfrontieren. Schließlich sei die mangelnde arbeitsrechtliche Absicherung und die schlechte Bezahlung vieler Kreativer nicht unbedingt das Vergehen des Publikums.

Der soziale Aspekt des Daseins als Urheber immaterieller Werte wird vom CCC ohnehin deutlich ins Zentrum der Überlegungen über den Umgang mit den veränderten Bedingungen der Verbreitung (nicht ausschließlich) künstlerischer Werke gestellt. So existiert bereits seit Längerem das Diskussionsangebot der „Kulturwertmark“, die stark verkürzte Schutzfristen zugunsten der Urheber nicht an deren Lebensdaten, sondern den Veröffentlichungsdaten orientiert und darüber hinaus einen vergüteten Übergang des Werks in die freie Verfügbarkeit vorsieht.

Der Dialog geht weiter

Die Praktikabilität solcher Modelle mag angezweifelt werden, konstruktiver und zeitgemäßer als die User-Schelte der Drehbuchautoren scheinen sie allemal zu sein. Dass es keine prinzipielle Aversion dagegen gibt, auch im Netz für Inhalte zu bezahlen, zeigen laut Dirk Engling die Teilerfolge solcher freiwilligen Bezahlmodelle wie Flattr.

CCC-Veteran Tim Pritlove zum Beispiel bestreitet seinen Lebensunterhalt praktisch ausschließlich über freiwillige Beiträge der Hörer seines Podcasts CRM. Auch die taz testet Wege, ohne Zwangsabgaben und Abmahnanwälte im Internet Geld zu verdienen.

Dass die Drehbuchautoren durchaus komplexere Gründe als die nackte Gier für ihren offenen Brief hatten, zweifelt auch der CCC nicht an. Inzwischen hat ein, bislang noch nicht öffentlicher Dialog mit Unterzeichnern des Briefes begonnen.

In einer ausführlichen und laut Engling durchaus positiv aufgenommenen E-Mail erläutert einer der Drehbuchschreiber seine Beweggründe für die Unterzeichnung. Die Diskussion ist also keineswegs beendet und findet jetzt vielleicht einen zwar kontroversen, aber konstruktiven Fortgang.

(Ergänzung 1.4.2012: Wie in den Kommentaren zu diesem Beitrag richtig angemerkt wird, wirft der CCC den Tatort-Drehbuchautoren nicht vor, prädigitale Ignoranten zu sein, sondern erklärt Ihnen im Kern, dass diese sich mit ihrem Brief unbedachterweise auf deren Seite schlagen. Ich bitte diesen Fehler zu entschuldigen. DK)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • D
    deepthought

    "Damit hörten jedoch die Gemeinsamkeiten auf. Bei den Tatortschreibern handele es sich „prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite ... und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.“ "

     

    mit diesen worten implizieren sie, lieber schreiberling, dass die TATORTSCHREIBER von den CCC-LEUTEN als besagte ignoranten bezeichnet werden. DAS ist - mit verlaub nicht nur humbug, das ist eine perfide lüge, wie der orignialtext beweist:

     

    "Es wird daher keinen "historischen Kompromiß" geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, jedenfalls nicht Urheber und Rezipienten, sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen."

     

    Ihr und wir auf der anderen seite...

     

    damit und mit vielen anderen worten zeigen die ccc-schreiber, dass sie sich selbst als urheber sehen ("Auch wir sind Urheber, sogar Berufsurheber, um genau zu sein. Wir sind Programmierer, Hacker, Gestalter, Musiker, Autoren von Büchern und Artikeln, bringen gar eigene Zeitungen, Blogs und Podcasts heraus. Wir sprechen also nicht nur mit Urhebern, wir sind selber welche.")

     

    bei einem dermaßen zurechtgeschluderten text, der nicht einmal VERSUCHT einen doch recht leserlich und verständlich geschriebenen antwortbrief zu verumglimpfen, sollte man sich allerdings schon auch gedanken machen, ob es gerechtfertigt ist, dem berufskreativen journalisten (denn kreativ ist er auf jeden fall...) nicht eine klage wegen verleumdung an den hals zu wünschen.

     

    hier noch mal der originalbrief. zum selberlesen:

    http://ccc.de/updates/2012/drehbuchautoren

     

    mit ärgerlichen grüßen

    dt

  • BM
    Barian Miller

    Der CCC solidarisiert sich mit den Schreibern. Ihre Darstellung verfälscht deren Aussage!

     

    "sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und

    I h r und w i r auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.

     

    Das Wörtchen "ihr" hat der Autor dieses Artikels offensichtlich überlesen. Mehr Sorgfalt, bitte!

     

    PS: falls dies ein Doppel-Post meinerseits ist, sorry!

     

    Der Brief des CCC:

    http://www.ccc.de/de/updates/2012/drehbuchautoren

  • BM
    Barian Miller

    Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion,

     

    Sie schreiben, die CCCler hätten sich so geäußert:

    "Bei den Tatortschreibern handele es sich „prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch".

     

    T a t s ä c h l i c h aber werden nicht die Tatortschreiber so bezeichnet, sondern der CCC solidarisiert sich ("auch wir sind Urheber") mit den Schreibern gegen die Rechteverwerter:

     

    Zitat: Es wird daher keinen "historischen Kompromiß" geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, ... sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite

     

    und I h r [die Schreiber!] und wir [Programmierer] auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.

     

     

    Ihr Zitat verdreht daher die Aussage des ganzen offenen Briefes, da sie offenbar das entscheidende Wörtchen "ihr" überlesen haben.

     

    Mehr Sorgfalt bitte.

     

    Quelle des Offenen Briefes des CCC:

    http://www.ccc.de/de/updates/2012/drehbuchautoren

  • R
    reni

    Wenn schon verkürzt zitieren, dann nicht so, dass die Aussage ins Gegenteil verkehrt wird (dritter Absatz):

     

    Originaltext CCC:

    Es wird daher keinen "historischen Kompromiß" geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, jedenfalls nicht Urheber und Rezipienten, sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.

     

    Ihr! und wir auf der anderen ...

  • M
    mamasolieb

    Der/Die Autor/in dieses Artikels scheint den Beitrag des CCC nur sehr schlampig gelesen zu haben. Der CCC sieht nicht die DrehbuchautorInnen auf der Seite der "... prädigitale(n) Ignoranten...", vielmehr ist da zu lesen ".. prädigitale Ignoranten ... auf der einen Seite und Ihr (Anm. die DrehbuchautorInnen) und wir (Anm. die Leute vom CCC) auf der anderen ...".

    somit hören die gemeinsamkeiten nicht, wie behauptet, schon nach dem 1. Absatz auf.

  • M
    mick

    "Damit hörten jedoch die Gemeinsamkeiten auf. Bei den Tatortschreibern handele es sich „prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite ... und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.“"

    Ausgerechnet die zwei entscheidenen Wörter "und Ihr" wurden hier durch drei Punkte ersetzt und somit sinnentfremdent zitiert. Zudem fehlt ein "um" vor dem eingefügtem Zitat". Das macht natürlich leider die hübsche Überleitung kaputt..

     

    Original:

    "[...] sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen."

     

    Hier werden meines Erachtens die Verwertungsgesellschaften angegriffen, der CCC stellt sich abermals mit den Drehbuchautoren auf eine Seite.

     

     

    Grüße

  • A
    Armin

    Nicht die Autoren sind die "prädigitalen Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch", sondern die Verwertungsindustrien, das anschließende "wir" in "die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen" bezieht sich auf die Urheber in ihrer Gesamtheit, also sowohl auf die Autoren des CCC-Briefs wie auch auf die Tatort-Autoren.

     

    Auch ansonsten hat der Autor die wesentlichen Punkte des Texts nicht verstanden.

  • SB
    Stefan B

    Lieber Herr Kretschmar,

     

    Sie schreiben:

     

    'Bei den Tatortschreibern handele es sich „prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite ... und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.“ '

     

     

    In dem Brief des CCC heißt es jedoch:

     

    'Es wird daher keinen "historischen Kompromiß" geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, jedenfalls nicht Urheber und Rezipienten, sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.'

     

    Es werden also gerade nicht die Autoren als 'prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch' bezeichnet. Viel mehr gilt diese Bezeichnung der Rechteverwertungsindustrie.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Stefan B