Nutzungsbedingungen im Netz: Kein Bestseller
Wer liest Online-Nutzungsbedingungen? Niemand, das weiß auch eine neue Web-Initiative. Sie bewertet: Je verständlicher, desto besser.
BERLIN taz | Was ist die meistverbreitete Lüge im Internet? Die Aussage, man habe die Nutzungsbedingungen gelesen und stimme ihnen zu. So sieht es zumindest die Initiative „Terms of Service – Didn’t read“. Die Macher, die sich Nutzerrechtsaktivisten nennen, haben sich vorgenommen, die Nutzungsbedingungen – englisch „terms of service“ – von Websites, Anwendungen und Angeboten zu bewerten. Übersichtlich in Ampelfarben, mit Symbolen wie „Daumen hoch“ und „Daumen runter“.
Im Juni hat die Initiative begonnen, derzeit finden sich schon bekannte Namen wie Twitter, Amazon oder das Online-Rollenspiel World of Warcraft auf der Website. Doch die Liste soll stetig wachsen. Drei junge Aktivisten sind es, die hinter der Seite stehen. „Einer von uns hat in den vergangenen drei Monate seine komplette Zeit in das Projekt gesteckt; er hat nichts gemacht, außer Nutzungsbedingungen zu lesen“, erzählt Michiel de Jong, einer der Mitstreiter.
Doch das Wichtigste seien die mittlerweile rund 500 Nutzer, die Nutzungsbedingungen der unterschiedlichen Anwendungen lesen, diskutieren und bewerten. „Wir kümmern uns dann um das Administrative, sortieren die Ergebnisse der Diskussion und veröffentlichen sie auf der Seite“, erklärt de Jong.
Die Informationen zu den Unternehmen sind knapp und übersichtlich. Beispiel Flickr: Das Netzwerk, in dem Nutzer ihre Fotos veröffentlichen können, bekommt drei grüne Bewertungen mit erhobenen Daumen, eine neutrale und eine negative Bewertung: Als positiv gilt, dass die Nutzer sich aussuchen können, unter welcher Lizenz sie ihre Bilder veröffentlichen, wem sie Zugang dazu ermöglichen und dass der Betreiber nur ein begrenztes Copyright auf die Bilder hat.
Diskussion in Gang bringen
Eine neutrale Bewertung gibt es dafür, dass sich die Nutzer den Geschäftsbedingungen von Yahoo unterwerfen müssen. Und eine negative Bewertung dafür, dass einzelne Dienste nicht gekündigt werden können. Kommen ausreichend Informationen zusammen, erhalten die Anbieter auch eine Gesamtbewertung von A für vorbildliche Dienste bis E für solche, die Nutzer besser meiden sollten.
Wer sich selbst einlesen will, für den stehen Links zu den kompletten Geschäftsbedingungen bereit – vor allem für die Fälle, in denen die Unternehmen den Text auf ihrer Seite gut versteckt untergebracht haben. Man wolle eine Diskussion im Netz in Gang bringen, sagt de Jong. Perspektivisch solle aus der Seite sogar eine zusätzliche Anwendung für den Browser werden. Dann können User direkt sehen, ob die Nutzungsbedingungen der Seite, die sie gerade besuchen, zu empfehlen sind.
„Wenn man überlegt, ob man sich für einen Dienst anmeldet, und dann gleich sieht, dass die Nutzungsbedingungen schlecht sind, könnte es doch sein, dass sich die Leute dagegen entscheiden und so mit ihren Füßen abstimmen“, sagt de Jong. Es sei aber auch nicht unüblich, dass Anbieter reagieren, wenn viele Nutzer Veränderungen fordern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen