Aus der taz: Fast 99 Fragen an verboten

Die Seite-1-Rubrik verboten gilt als kurz, heftig und dreckig. Dabei ist verboten doch so romantisch. Es steht auf Sex auf dem Kuschelsofa der Chefs.

Es ist die Wahrheit in ihrer reinsten Form, wie pures Kokain, ungestreckt, gefährlich, geil. Bild: dapd

1. Was ist Ihre früheste Erinnerung?

verboten: Druckwalzen, überall Walzen. Und ein Briefkasten von innen, dieser schmale Streifen aus Licht ganz oben, hallende Schritte, die sich nähern.

2. Links oder rechts?

Gibt’s das noch?

3. Schwarz oder weiß?

Rot.

4. Abonnement oder Kioskverkauf?

Kiosk. Da erreiche ich die richtigen Leute, keine Verbindlichkeiten. Alles kann, nichts muss. Am allerliebsten: Bahnhofsbuchhandel.

Da! Ein anzügliches Lächeln. Jetzt nur nicht lockerlassen!

5. Ihr Lieblingsbuch über Deutschland?

„Der Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler. Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Wenn beides nicht zur Hand ist: „Wir Deutschen“ von Matthias Matussek.

6. Der Name einer deutschen Feministin, der Ihnen sofort einfällt?

Puh. Wie heißt doch gleich die alte Krawallschachtel da in ihrem Turm? Mir liegt es auf der Zunge, ganz vorne.

7. Die erotischste Frau aller Zeiten?

Lou Salomé. Oder Alma Mahler-Gropius-Werfel, geborene Schindler, um ein Haar sogar Kokoschka.

8. Der erotischste Mann?

Kai Diekmann.

9. Manchmal traurig darüber, ständig Springer vor Augen zu haben?

Nein. Ich sehe ja auch den Fernsehturm ganz gut, am späten Abend seine blinkenden Lichter.

10. Wann zuletzt in die Spree gehüpft?

Nach einer taz-Weihnachtsfeier. Ich war voll auf Speed und musste zuerst mit der Spitzhacke ein Loch in das Eis hauen.

11. Wann gab es zuletzt eine gute taz-Party?

Die Feierlichkeiten in diesem Hause sind immer ein Amüsement. Man lernt sich besser kennen, landet im Bett, hält die Beziehung noch ein Weilchen geheim, dann kommen die Kinder, dann winkt ein besser bezahlter Job bei einer schlechteren Zeitung.

12. Es heißt, mit der neuen Chefredakteurin?

Mir ist egal, wer unter mir Chefredakteurin ist.

13. Der gemütlichste Platz in der taz?

Bei Regen: das hintere Treppenhaus, Dienstbotencharme, kalter Zigarettenrauch, Feuerlöscher. Bei Sonnenschein: der Rasen auf dem taz-Dach, nachdem der Geschäftsführer ihn gewässert hat.

14. Es heißt, verboten liest abends vorm Einschlafen immer ein paar Seiten Foucault und Derrida ?

Das ist falsch. Ich lese Uderzo und Goscinny.

15. Es heißt auch, verboten sei das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit. Welchen Mitarbeiter haben Sie besonders ins Herz geschlossen?

Keinen. Ich benutze sie alle und werfe sie dann weg. Einem War- hol oder einem Leonardo war es auch gleichgültig, wer da seine Ideen umsetzte.

Diese Arroganz, dieses kalte Lächeln. Einfach umwerfend! verboten taut langsam auf, fühlt sich als Herr der Lage. Zeit, die Hammerfragen auszupacken?

16. Schon mal Sex gehabt in der taz?

Das ist eine zu komplizierte Frage.

17. Geschlechtsverkehr?

Ich verstehe nicht recht?

18 Fickificki?

Ach so, ja. Auf der roten Couch im Büro der Chefredaktion. Wer genau hinsieht, erkennt noch die Flecken. Und natürlich auf dem Rasen auf dem taz-Dach, nachdem der Geschäftsführer ihn gewässert hat.

19. verboten gilt als kurz, heftig und dreckig. Der Punksong unter den Rubriken?

Nein, eher eine extrem komprimierte progressive Jazz-Suite mit Dub-, Fusion- und anderen Elementen, unter anderem aus der volkstümlichen Musik.

20. Ton Steine Scherben?

Ich bitte Sie! Das ist so was von Old School! Dieser ganze pseudozornige Gestus, einfach widerlich. Mein Standpunkt: Lacht kaputt, was euch kaputtmacht.

21. Gab es Witze, die Sie bedauert haben?

Ich mache keine Witze.

22. Machen Sie Witze?

Sehe ich so aus? Ich bin die Wahrheit in ihrer reinsten Form, wie pures Kokain, ungestreckt, gefährlich, geil.

23. Aber die Pointen?

Die Pointe ist der finale Schlag in die Magengrube, der aufblitzende, eigentliche Sinn. Kommt von vom spätlateinischen „puncta“ und bedeutet „Stich“.

24. Ist verboten für Bildungsbürger?

Nicht jeder Lateiner ist Bildungsbürger.

25. Und Spätlateiner?

Der Spätlateiner ist ein Barbar, kein Bildungsbürger. Die Spätantike ist ein blutiger Dämmerzustand, genau wie heute wieder. Generell spreche ich lieber den Spießer an, als den längst Bekehrten zu predigen.

Nun hat verboten sich vorgebeugt. Offenbar liegt ihm etwas an dem Thema. Dranbleiben!

26. Was wäre denn ein Bekehrter?

Der Bekehrte ist immer einverstanden mit sich selbst.

Tiefes, tiefes Seufzen. Ein Lakai eilt herbei und zündet den Joint wieder an. Ein langer Zug, ein weiterer tiefer Seufzer.

27. Ist denn verboten einverstanden mit sich selbst?

Ich bin nicht einmal einverstanden mit der Zeitung, als deren Kühlerfigur ich erscheine.

28. Diese tollen Pointen?

Ja? Was ist mit denen?

29. Die sind auch oft einfach nur albern.

Danke. Das sehe ich auch so. Das Alberne ist der kindliche Spaß daran, die Dinge nicht ernst zu nehmen. Nicht „nicht zu ernst“, sondern einfach gar nicht ernst. Das Gewicht der Welt wird kurzerhand ausgehebelt.

30. Man könnte auch sagen: Der Ernst der Lage wird nicht erkannt.

Albern kommt vom althochdeutschen alawri und bedeutet „offen, ernst, wahr“. Im Niederhochdeutschen hat sich diese Bedeutung ins Gegenteil verschoben. Die Wahrheit aussprechen? Töricht ist, wer solches tut. Ein Geck, Stutzer, Tunichtgut!

31. Wer allzu offen ist, ist oft einfach nicht ganz dicht?

So ist es. Übrigens notwendigerweise. Schauen Sie, eine Auseinandersetzung mit der schäbigen Bild-Zeitung beispielsweise ist schlechterdings nicht möglich, ohne selbst schäbig zu werden.

32. Wer sagt das?

Unter anderem Lew Tolstoi in seiner Auslegung der Bergpredigt. Jede Reaktion auf das Böse legt in uns den Keim zum Bösen.

33. Aber die „Bild“-Zeitung ist doch …

Lassen Sie mich zu diesem Thema bitte Max Goldt zitieren: „Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“

Wo hat verboten das her? Auswendig gelernt? Der schläfrige Tonfall lässt darauf schließen. Langsam nerven diese neunmalklugen Verweise auf diesen oder jenen. Zeit, das Thema zu wechseln.

34. Sprechen wir von Edmund?

Doktor!

35. Sprechen wir von Doktor Edm…

Doktor @mund Stoiber. So viel Respekt muss sein.

36. Was fanden Sie an dem?

Ich habe seine Kanzlerkandidatur unterstützt, das stimmt. Meine Sympathien gelten dem Underdog, dem Maverick, dem Außenseiter. Immer dem, der hinten liegt. Stoiber war das, was man einen Nerd nennen könnte. Auch konnte ich sein komisches Potenzial nicht ungenutzt lassen.

37. Sie haben sich über ihn lustig gemacht!

Er hat sich selbst immer wieder lächerlich gemacht. Alles, was ich tun musste, war, ihn dabei „offiziell“ zu unterstützen. Wie Oettinger.

38. Was, wenn er Kanzler geworden wäre?

Wäre lustig geworden, nicht?

39. Und verboten hätte eine Teilschuld getragen.

Wir haben alle unser Bündel zu tragen, nicht wahr?

40. Neidisch auf das „Streiflicht“, die Seite-1-Glosse der „Süddeutschen Zeitung?“

Ich beteilige mich nicht an der Neiddebatte. Und schätze es nicht sonderlich, das „Streiflicht“.

41. Zu spießig?

Spießig würde ich das nicht nennen.

42. Sondern?

Der Ton ist beflissen bis gefallsüchtig, seine Eleganz routiniert bis gelangweilt. Es klingt wie ein pensionierter Lehrer, der mit „dem Schalk im Nacken“ irgendwelche harmlosen Nachrichten aus dem Ressort „Vermischtes“ extemporiert. Danach meint man als Leser immer, es wäre alles nicht so schlimm. Es ist aber schlimm.

Die restlichen 57 Fragen lesen Sie hier: Arno Frank, Peter Unfried: „verboten. Die zärtlichste Rubrik, seit es Satire gibt“. Westend-Verlag, 200 Seiten, 12,99 Euro.

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