Geschäft mit Honorarprofessuren: Alles reine Ehrensache
Ein Fall aus dem Bildungsministerium zeigt, wie problematisch das Geschäft mit Honorarprofessuren ist. Schavan stand diesem System vor.
BERLIN taz | Annette Schavan ist ihr Amt los. Am Samstag musste sie gehen. Die Ministerin ist über eine Schwäche gestolpert, die ihr niemand zugetraut hätte. Eine Schwäche für Titel. Man kann diese Schwäche sehr gut mit Wolf-Dieter Lukas erklären. Man muss es sogar.
Wolf-Dieter Lukas ist ein patenter Mensch. Eloquent, erfrischend, wach. Der Mann mit dem rötlich schimmernden Haar ist einer der wichtigsten Männer in dem Ministerium, dass Annette Schavan bis zum Samstag geführt hat. In der Hierarchie über dem Abteilungsleiter stehen nur noch: vier Staatssekretäre und der Ministerposten. Wolf-Dieter Lukas steht aber auch für ein Problem.
Denn aus der Abteilung von Schavans Abteilungsleiter Lukas flossen Millionenbeträge an ein Institut der Technischen Universität Berlin. Diese bedachte den leitenden Ministerialbeamten wiederum mit einer besonderen Ehre – und machte ihn zum Honorarprofessor. Sein Fall zeigt, wie lässig der Umgang mit Titeln in Deutschland gehandhabt wird. Das Bildungsministerium selbst förderte diese Praxis. Allen voran: Annette Schavan.
Anders als der Titel es nahelegt, erhalten HonorarprofessorInnen kein Geld. Sie bekommen den Professorentitel verliehen und verpflichten sich dagegen etwa zu Lehrveranstaltungen an der entsprechenden Universität.
An die Vergabe von Honorarprofessuren werden, theoretisch, sehr strenge Vorgaben geknüpft. So heißt es in den meisten Landeshochschulgesetzen, zum Honorarprofessor könne berufen werden, wer „in seinem Fach aufgrund hervorragender wissenschaftlicher Leistungen den Anforderungen entspricht, die an Professoren gestellt werden“ und etwa eine „mehrjährige Lehrtätigkeit“ vorweisen könne.
In der Praxis sieht das anders aus: Die Titelvergabe ist ein beliebtes Mittel zur Kontaktpflege. So wurde etwa Peer Steinbrück – nicht bekannt für besondere wissenschaftliche Leistungen – 2011 zum Honorarprofessor ernannt. Auch Josef Ackermann trägt den Titel. Und Bundesbildungsministerin Schavan bekam den Ehrentitel an der FU Berlin 2009 verliehen – in ihrer Zeit als Ministerin.
Das ist möglich, weil die Verfahren, die die Universitäten selbst durchführen, intransparent sind. So ist es etwa nicht möglich, die Gutachten, die den Berufungen zugrunde liegen, einzusehen.
Abteilung 5
Ein Hochhausgebäude, 15. Stock, am Ernst-Reuter-Platz in Berlin. Wer sich im „Showroom" des DAI-Labors, jenem Institut an der TU Berlin, umschaut, ist schnell zu überzeugen. Die intelligente Küchenzeile, das SmartBike, der Androlyzer, kurz: die innovativen Produkte, die hier präsentiert werden, wirken wie ein lohnender Ausblick in die Zukunft.
Es gibt eine Abteilung im Bundesbildungsministerium, die viel Geld in diese Innovationen gesteckt hat. Abteilung 5.
Wolf-Dieter Lukas leitet diese Abteilung seit 2005. Verschiedene Referate unter ihm haben Projekte des Instituts in seiner Zeit als Chef mit über 8 Millionen Euro gefördert. Mal flossen 347.767 Euro für ein Projekt – eine stattliche Summe, über die sich viele Forscher freuen würden. Mal, wie in dem Projekt mit der Kennziffer 16KT0907, Projektstart 2009, waren es gleich über 2,7 Millionen Euro. Vielleicht floss dieses Geld völlig zu Recht. Wer weiß das schon.
Im Februar 2010 passierte dann etwas Außergewöhnliches: Die Universität, die von den Zuwendungen profitierte, machte den verantwortlichen Abteilungsleiter zum Honorarprofessor an der eigenen Institution. Dabei sind nach dem Berliner Landeshochschulgesetz an die Berufung zum Honorarprofessor die gleichen Kriterien anzulegen wie bei der Berufung auf reguläre Professuren. Welche Leistungen das bei Lukas sein sollten, ist unklar. Wissenschaftlich hervorgetan hat er sich jedenfalls nicht in besonderer Weise. Die Gutachten, die seiner Ernennung zu Grunde liegen, sind – natürlich – geheim.
Kein Bewilligungsbescheid abgezeichnet
Fakt ist: Wer Wolf-Dieter Lukas kontaktieren will, kann sich entscheiden, ob er dessen Mailadresse im Ministerium anschreiben will – oder die am DAI-Labor der TU Berlin. Fakt ist auch: Wenige Monate nach seiner Ernennung zum Honorarprofessor liefen am DAI-Labor zwei neue Projekte an, für die Lukas Abteilung große Summen bewilligte. Für ein Forschungsvorhaben gab das Bildungsministerium 1.365.506 Euro, für ein anderes 1.465.366 Euro. Laufzeitbeginn war jeweils der 1. September 2010, also einige Monate nach seiner Ernennung zum Honorarprofessor.
Wer nun aber in Annette Schavans Ministerium nachfragte, erfuhr: Ein Zusammenhang? Hier? Nicht doch!
Im Gegenteil. Schavans Sprecher beschwichtigte gegenüber der taz: „Anträge der TU Berlin auf Bewilligung von Fördermitteln werden in gleicher Weise nach sachlichen Kriterien bearbeitet und beschieden wie die Bewilligungsanträge aller anderen Antragsteller.“ Seit seiner Ernennung zum Honorarprofessor habe Lukas keinen Bewilligungsbescheid an die TU Berlin abgezeichnet, sagte ein Sprecher.
Das dürfte stimmen – denn für die konkreten, operativen Zuwendungen ist schließlich nicht Lukas selbst verantwortlich, sondern seine Untergebenen.
Anschein korrupten Verhaltens
Doch kann ein Unterabteilungsleiter, kann ein Referent in einem Ministerium unbefangen über Zuwendungen entscheiden, wenn die Beziehungen des Abteilungsleiters zu einem Institut so eindeutig sind?
Für Timo Lange von der Organisation Lobbycontrol ist eindeutig: „Dass die Verleihung eines solchen Titels in zeitlichem Zusammenhang mit Geldzuweisungen aus dem Ministerium zu einem Interessenkonflikt führt, ist klar. Das hört sich nach einem Dankeschön an.“ Und weiter sagt Lange: „Es hätte im Verantwortungsbereich der Ministerin Annette Schavan gelegen, dafür zu sorgen, dass der Anschein korrupten Verhaltens in ihrem Hause vermieden wird.“
Unter Schavans Führung hörte sich das aus dem Ministerium dagegen ganz anders an. Bezogen auf den Fall Lukas sagte ein Sprecher der taz, das Ministerium habe ein ausdrückliches Interesse daran, dass seine Beamten Praxiserfahrungen sammelten und einen engen Draht zu wissenschaftlichen Institutionen hielten.
Und das ist die Stelle, die aus dem Fall Lukas einen Fall Schavan macht.
Denn welcher Unfug im Zusammenhang mit der Vergabe von Honorarprofessuren in Deutschland betrieben wird, ist seit Langem kein Geheimnis mehr. Im Allgemeinen geht es dabei um Nettigkeiten, Gefälligkeiten, Landschaftspflege.
Aus Sponsoren werden Professoren
Die Öffentlichkeit reagierte etwa empört, als die Universität Frankfurt den ehemaligen Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann zum Honorarprofessor erklären wollte – das hielt die Frankfurter Uni jedoch nicht davon ab. Auch Schavans Kollegen ließen sich gerne mit dem Titel würdigen, der, anders als es der Name suggeriert, zwar nicht mit einem Honorar, dafür aber mit einem ordentlichen Schwung Prestige daher kommt.
Peer Steinbrück etwa übernahm Ende 2011 eine Honorarprofessur für Öffentliche Finanzwirtschaft und internationale Finanzpolitik an der Uni Leipzig. Und Minister Thomas de Maiziere erhielt erst 2012 eine solche Professur an der Technischen Universität Dresden. Oft werden die Titel aber auch an unbekanntere Wirtschaftsleute vergeben, manchmal gar, weil diese den Universitäten als Sponsoren verbunden sind.
Im Jahr 2009 verwehrte der Wissenschaftsrat der sogenannten „University of Management und Communication" in Potsdam gleich die Akkreditierung, weil die Institution einen „nicht hinnehmbaren leichtfertigen Umgang mit der Berufsbezeichnung 'Professor'“ pflegte, wie der Spiegel seinerzeit berichtete.
Viele Wissenschaftler schütteln daher inzwischen die Köpfe, wenn sie hören, wer an ihrer Uni wieder mit dem Ehrenprofessorentitel geschmückt werden soll. Das Titelspiel um Prestige und Macht – wäre nicht auch die Politik gefragt, dem unkontrollierten Treiben Einhalt zu gebieten?
Unwesen der Honorarprofessuren
Wie absurd die Gesetzeslage ist, zeigt nun ausgerechnet der Fall aus Annette Schavans eigenem Ministerium. Denn obwohl die Arrangements rund um die Honorarprofessur selten so dreist sind wie jene Berufung von Wolf-Dieter Lukas – dienstrechtlich war sie laut Bundesbildungsministerium nicht einmal genehmigungspflichtig. Im Gegenteil: Lukas habe sich, so heißt es aus dem Ministerium, vorbildlich verhalten, weil er seine Berufung zum Honorarprofessor angezeigt habe, ohne dass dies nötig gewesen sei.
Dass Annette Schavan also ein recht großzügiges Verhältnis zu Titeln pflegte, dafür bedarf es gar nicht des Blicks auf ihre Doktorarbeit, die sie nun ihr Amt gekostet hat. Auch im Hinblick auf das Unwesen der Honorarprofessuren sah sie nie Handlungsbedarf.
Und das ist kein Wunder: Denn Schavan selbst ließ sich 2009, während ihrer Zeit als Bildungsministerin, von der Freien Universität Berlin zur Honorarprofessorin machen. Nach dem Trubel um ihre Doktorarbeit könnte ihr dieser Titel nun allerdings noch abhandenkommen.
Wolf-Dieter Lukas kann seinen Titel dagegen vermutlich noch lange tragen. Er ist nur einer der vielen Nutznießer in diesem Spiel um die Titel. Annette Schavan war auch eine dieser Nutznießerinnen. Die Flanken – das heißt die Grenzen des Erlaubten – hätte Schavan als Bundesbildungsministerin markieren können. Sie tat es nicht. Ehrensache.
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