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Stipendien bei den etablierten "Begabtenförderungswerken" (Ebert-Stiftung, Adenauer-Stiftung, Studienstiftung, Böll-Stiftung etc.) bewirken, dass eine Gruppe von Studenten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen guten Abschluss machen und bedingt dadurch eine höhere Chance auf einen direkten Job haben (möglicherweise auch noch besser bezahlt als andere), mehr Geld vom Staat kriegen. Zum einen, wenn sie Bafög-berechtigt sind, weil sie das Bafög nicht zu 50% zurückzahlen müssen, zum zweiten, weil sie obendrauf als Zusatzleistung einfach ein paar Hundert Euro bekommen („Büchergeld“). Das ist verteilungspolitisch offensichtlich Unsinn, zumal Bedürftigkeit nicht das Vergabe-Kriterium ist.
Es gibt darüber hinaus die Argumentation, dass Begabte und Leistungsträger besonders gefördert werden müssten, um sozusagen deren kreatives und leistendes Potenzial für die Gesellschaft voll zu entfalten, wovon indirekt auch die Gesamtgesellschaft profitiert. Wenn die gleichen Leute, die sowas von sich geben, argumentieren, dass eine Finanzierung des Studiums kein Hindernis in der Entfaltung der Potenziale ist, dann argumentieren sie offensichtlich inkonsistent. Studiengebühren halten niemanden ab zu studieren, aber ausgerechnet Begabte müssen besonders materiell gefördert werden, damit sich ihr Studium lohnt? Klingt auch nach Unsinn.
Der Auftrag der etablierten Begabtenförderungswerke ist es darüber hinaus systemstabilisierend zu wirken. Die „großen gesellschaftlichen Strömungen“, also die im Bundestag vertretenden politischen Parteien, die Kirchen, die Gewerkschaften und die Wirtschaft haben jeweils eine Stiftung. Mal abgesehen davon, dass diese klassischen Strömungen der alten BRD heute vielleicht gar nicht mehr so stark als die „großen gesellschaftlichen Strömungen“ verstanden werden können, ist es doch fraglich, warum die Studenten, die genau diejenige Einstellung zeigen, die eine dieser Strömungen entspricht materiell gefördert werden soll. Die Argumentation verfängt (wenn überhaupt) für die sog. idielle Förderung, die in Seminaren besteht und nicht in Geldleistungen.
Wenn ich es zu entscheiden hätte würde ich (selbst Altstipendiat) dieses ganze Stipendienwesen platt machen. Über die „idielle Förderung“ kann man vielleicht reden.
Kuckt einfach mal über die Grenze, z.B. nach Dänemark. Dort gibt es 700Euro für jeden Studenten, der auch studiert. Das Geld kommt aus dem Steuertopf. So einfach könnte es sein. Es ist mir schleierhaft, warum so ein System nicht mal von der SPD vorgeschlagen wird.
Notfalls geht auch das Bafög alter Schule, zu Willys Zeiten.
@Flora: genau so is es!!!
"Das Stipendienwesen ist ein Selbstbedienungsladen des Bildungsbürgertums. Er gehört geschlossen.". Ja, das gehoert er. Auch wenn in diesem Falle insbesonders der industrielle Einfluss besonders eklatant ist, so findet sich eine Bevorzugung des rechtskonservativen Bildungsbuergertums (oder derjenigen, die sich dafuer auszugeben verstehen) auch in anderem Rahmen, etwa bei der altehrwuerdigen Studienstiftung des deutschen Volkes statt. Ein ehemaliger Stipendiat der Studienstiftung hat es mal so ausgedrueckt: Die Studienstiftung haette am liebsten, wenn ihre Kandidaten beim Segeln auch noch Geige spielen.
> Objektive Kriterien:
> Noten
LOL
Natürlich sollten Stipendien kein Selbstbedienungsladen sein, dass etzt allerdings voraus, dass es auch ohne Stipendien gerecht bei der Vergabe von Finanzmitteln (wie BaföG) zugehe. Schön wärs! Zum einen tummeln sich ohnehin fast nur Akademikerkinder an deutschen Unis - dem selektierenden Schulsystem sei Dank und zum zweiten ist das Bafög auch nicht "gerecht". Wenn ein "bedürftiger" Student nämlich aus gesundheitlichen Gründen oder weil er arbeiten muss oder weil einfach nicht genug Lehrveranstaltungen angeboten werden oder diese sich überschneiden, bestimmte Prüfungen nicht fristgemäß ablegt, dann ist das BaföG weg. Bedürftigkeit hin oder her. Dann gibt es übrigens auch kein Wohngeld und selbstverständlich auch keine Sozialhilfe. Der Staat erwartet dann, dass die Eltern einspringen, ob sie können oder nicht. Sehr gerecht! Wenn man als Student einen Fächerwechsel nach dem 4.Fachsemester vornimmt, dann ist auch das Bafög weg. Dann darf man probieren, ob man vielleicht ein bisschen Wohngeld bekommt. Und nein, es ist nicht gerecht, wenn man dann neben einem 40-Wochen-Stunden-Studium noch arbeiten gehen darf und dafür einen Hungerlohn bezieht.
Das Verhandeln über diverse Stipendien ist also eine ganz nette Sache, sie verdeckt nur das eigentliche Problem: Das Akademiker in ihren zukünftigen Berufen einen Großteil der Finanzierung des Sozialstaates leisten, in ihrer Ausbildung aber vom Staat massiv behindert und allein gelassen werden.
Vor 20 Jahren gingen im Osten Tausende Menschen auf die Straße. 20 Jahre später heißt das Gesetz Bürgergeld – doch die Kritikpunkte bleiben aktuell.
Kommentar Deutschlandstipendium: Ein Selbstbedienungsladen
Unternehmen und Private dürfen Unis bei der Auswahl der Stipendiaten reinreden. Dabei gewinnen jene, die am meisten haben: die Kinder von Bildungsbürgern.
Ist nicht Schavan. Was nicht heißt, dass sie Stipendien für Bildungsbürgerkinder abschafft: Bildungsministerin Johanna Wanka Bild: Foto: Michael Sohn AP
Es mag sein, dass sich viele Geldgeber aus reiner Menschenliebe am Deutschlandstipendium beteiligen. Dass sie sich nur das Gefühl erkaufen möchten, einem jungen Talent ein paar sorgenfreie Semester zu finanzieren und allein damit schon glücklich sind. Trotzdem ist es kein Zufall, wenn Unternehmen und Privatleuten den Unis bei der Auswahl der Stipendiaten massiv reinreden: Wer als begabt gilt, entscheidet im Zweifel derjenige, der das Geld gibt.
Die Tücke liegt im Gesetz selbst. Einflussnahme wird einerseits strikt ausgeschlossen, andererseits explizit ermöglicht. Die Geldgeber dürfen zwar nicht per Fingerzeig angeben, wen sie beglücken wollen, wohl aber unverbindliche Wünsche äußern. Aber wie ungebunden kann eine Universität sich noch fühlen, wenn sie ihrem Finanzier direkt gegenüber sitzt?
Man muss es so klar sagen: Diese Unschärfe zur Bestechung ist gewollt, Kungeln offenbar erwünscht. Denn natürlich hätte man das Deutschlandstipendium anders konstruieren können. Man hätte spendierfreudige Unternehmen etwa in einen hochschulübergreifenden Topf einzahlen lassen können, ihn mit Bundesmitteln auffüllen und daraus begabte Studierende unterstützten können. Die direkte Beziehung vom Geldgeber zum Geldempfänger wäre dann immerhin gekappt. Einem Förderer, dem es wirklich rein um die Menschenliebe geht, sollte das recht sein.
Bernd Kramer
ist Bildungsredakteur der taz.
Eine wirkliche große Tat könnte die neue Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) allerdings vollbringen, wenn sie das Deutschlandstipendium ganz knicken würde – und möglichst alle anderen mit. Nicht nur, um Einflussnahme zu vermeiden. Sondern weil Stipendien der falsche Weg zur Studienfinanzierung sind. Jeder Kommilitone, der Bafög beantragt, muss erst einmal seine Bedürftigkeit nachweisen. Den Stipendiaten, den vermeintlich Begaben, werden 300 Euro einfach hinterhergeworfen.
Das Geld kommt denen zu Gute, die es am wenigsten brauchen. Dazu trägt auch bei, dass eben Stipendien nicht ausschließlich nach halbwegs objektiven Kriterien wie Noten vergeben werden. Wer die Förderung erhalten will, muss mit Engagement und Persönlichkeit punkten – Akdademikerkindern wissen sich in einer Auswahlrunde aus Professoren fast zwangsläufig besser zu verkaufen. Das Stipendienwesen ist ein Selbstbedienungsladen des Bildungsbürgertums. Er gehört geschlossen.
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Kommentar von
Bernd Kramer
Inlandsredakteur
Jahrgang 1984, hat VWL, Politik und Soziologie studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Seit 2012 bei der taz im Inlandsressort und dort zuständig für Schul- und Hochschulthemen.
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Bernd Kramer
Inlandsredakteur
Jahrgang 1984, hat VWL, Politik und Soziologie studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Seit 2012 bei der taz im Inlandsressort und dort zuständig für Schul- und Hochschulthemen.
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