Kolumne Knoblauchzone #7: Niedrige Preise in der Nachbarschaft

Noch wirbt der Supermarkt Konzum mit dem Versprechen der niedrigen Preise. Doch wird es künftig noch die heimischen Produkte so billig geben?

Was wird bleiben von der Niedrigpreispropaganda der EU? Bild: photocase

Von EU-genormten Gemüse ist man auf Zagrebs Märkten weit entfernt. Nur manchmal ist man sich nicht sicher, ob nicht die krummsten Karotten bei Lidl gekauft und als „domaca“, als einheimisches Produkt, verkauft werden.

Während Lidl seine Biokarotten mit der Kampagne „Dauerhafte EU-Ermäßigungen“ und „Willkommen in der Union der niedrigen Preise“ anpreist, wirbt der inländische Supermarktkonkurrent Konzum mit: „Die niedrigsten Preise in der Nachbarschaft.“

Wenn Kroaten in der Nachbarschaft nach den niedrigsten Preisen suchten, fuhren sie bislang nach Bosnien, um Käse aus Travnik, Lämmer aus Jablinca oder Klamotten aus China einzukaufen.

Eine der größten Sorgen der EU-skeptischen Kroaten ist deshalb, wie man nach dem EU-Beitritt noch in den Genuss von Käse, Lämmern und chinesischen Klamotten aus der Nachbarschaft kommt.

Vor einem Konzum in Zagreb steht eine rauchende ältere Dame und bittet um ein paar Kuna. „Die EU wird uns auch nicht glücklicher machen“, sagt sie. „Ivica Todoric ist eben nicht Professor Balthazar.“ Todoric ist der reichste Mann Kroatiens und Chef des größten Privatunternehmens Agrokor, zu dem der Konzum gehört.

Agrokor wirbt in einer EU-Countdown-Anzeige mit „Begrüßen wir gemeinsam die Zeit der positiven Veränderungen.“ „Professor Balthazar“ war die erfolgreichste Zeichentrickfigur aus den Zagreber Trickfilmstudios der 1970er Jahre. Balthazar hatte eine Maschine, in die er seine rettende Idee einspeiste und die die Lösung des Problems ausspuckte.

Man erinnert sich dieser Tage an die Serie, weil der 82. Geburtstag des Zeichners ansteht. In Kunstkreisen erinnert man sich auch an den Zagreber Konzeptkünstler Antonio Lauer, dessen zweiter Todestag sich jährt. 1964 drehte er „Plavi jahac“ (der blaue Reiter), ein godardmäßiges Porträt einfacher Männer in einem Bierlokal, über das er eine Tonspur aus der Serie „Bonanza“ legte.

Ivica Todoric und seine Gang haben weder den Esprit eines Professor Balthazar, noch die Moral der Cartwrights. Trotz aller Niedrigpreispropaganda, den EU-Beitritt empfinden die Kroaten, die keinen Supermarkt besitzen, immer noch nicht als Glücksfall.

Viele von ihnen treffen sich nur noch vor dem Supermarkt und erinnern sich an die glücklichen Zeiten, als noch „Professor Balthazar“ und „Bonanza“ im Fernsehen liefen.

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Seit 2012 Redakteurin | taz am Wochenende. Seit 2008 bei der taz als Meinungs, - Kultur-, Schwerpunkt- und Online-Redakteurin, Veranstaltungskuratorin, Kolumnistin, WM-Korrespondentin, Messenreporterin, Rezensentin und Autorin. Ansonsten ist ihr Typ vor allem als Moderatorin von Literatur-, Gesellschafts- und Politikpodien gefragt. Manche meinen, sie kann einfach moderieren. Sie meint: "Meinungen hab ich selbst genug." Sie hat Religions- und Kulturwissenschaften sowie Südosteuropäische Geschichte zu Ende studiert, ist Herausgeberin der „Jungle World“, war Redakteurin der „Sport-BZ“, Mitgründerin der Hate Poetry und Mitinitiatorin von #FreeDeniz. Sie hat diverse Petitionen unterschrieben, aber noch nie eine Lebensversicherung.

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