Kommentar Giftgas in Syrien: Die „rote Linie“ vor Augen

Noch fehlen die letzten Beweise über den Einsatz von Giftgas in Syrien. Doch das Unvorstellbare wird vorstellbar. Die Gewalt kennt kaum noch Grenzen.

Die Opfer des Bürgerkriegs werden oftmals in Massengräbern begraben. Bild: dpa/sana

Plötzlich wird das Unvorstellbare vorstellbar. Restlos bewiesen sind die jüngsten Berichte zwar bislang nicht, wonach Syriens Armee jetzt in großem Stil Chemiewaffen gegen Zivilisten in Dörfern im Umland der Hauptstadt Damaskus eingesetzt und dabei Hunderte von Menschen getötet hat. Aber das vorliegende Foto- und Videomaterial ist eindrücklich und beklemmend.

Nachdem der syrische Krieg bereits über 100.000 Tote gefordert hat, ist ein solches Kriegsverbrechen keineswegs auszuschließen. Und nachdem erst vor einer Woche Ägyptens Armee vor laufenden Kameras mitten in der Hauptstadt Kairo Hunderte von Demonstranten massakrieren konnte, ohne dass auch nur die Androhung internationaler Strafmaßnahmen folgte, braucht Assad sich in Syrien erst recht keine Sorgen zu machen.

Die international hingenommene ägyptische Konterrevolution gibt Gewaltherrschern in der gesamten Region freie Hand, und in Syrien gehen sie dabei schon lange bis zum Äußersten.

Für die Weltgemeinschaft sind diese Berichte nur wenige Tage nach dem Eintreffen der UN-Inspekteure, die früheren Berichten über Giftgaseinsätze in Syrien nachgehen sollen, eine Herausforderung.

Die UNO muss jetzt schnell und unmissverständlich reagieren. Die Inspekteure müssen die Vorwürfe unabhängig untersuchen können. Dazu benötigen sie freien Zugang zu den Kampfgebieten und komplette Bewegungsfreiheit sowie die Möglichkeit, Zeugen ohne staatliche Dolmetscher und Bewacher zu befragen.

Sollte Syriens Regierung, oder auch ihr russischer Verbündeter im UN-Sicherheitsrat, sich dagegen sperren, wäre dies ein unmissverständliches Indiz dafür, dass Assad tatsächlich etwas zu verbergen hat.

Und das wäre die reale „rote Linie“, die ein aktiveres Eingreifen erzwingen müsste.

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