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Kommentar Giftgas in SyrienDie „rote Linie“ vor Augen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Noch fehlen die letzten Beweise über den Einsatz von Giftgas in Syrien. Doch das Unvorstellbare wird vorstellbar. Die Gewalt kennt kaum noch Grenzen.

Die Opfer des Bürgerkriegs werden oftmals in Massengräbern begraben. Bild: dpa/sana

P lötzlich wird das Unvorstellbare vorstellbar. Restlos bewiesen sind die jüngsten Berichte zwar bislang nicht, wonach Syriens Armee jetzt in großem Stil Chemiewaffen gegen Zivilisten in Dörfern im Umland der Hauptstadt Damaskus eingesetzt und dabei Hunderte von Menschen getötet hat. Aber das vorliegende Foto- und Videomaterial ist eindrücklich und beklemmend.

Nachdem der syrische Krieg bereits über 100.000 Tote gefordert hat, ist ein solches Kriegsverbrechen keineswegs auszuschließen. Und nachdem erst vor einer Woche Ägyptens Armee vor laufenden Kameras mitten in der Hauptstadt Kairo Hunderte von Demonstranten massakrieren konnte, ohne dass auch nur die Androhung internationaler Strafmaßnahmen folgte, braucht Assad sich in Syrien erst recht keine Sorgen zu machen.

Die international hingenommene ägyptische Konterrevolution gibt Gewaltherrschern in der gesamten Region freie Hand, und in Syrien gehen sie dabei schon lange bis zum Äußersten.

Für die Weltgemeinschaft sind diese Berichte nur wenige Tage nach dem Eintreffen der UN-Inspekteure, die früheren Berichten über Giftgaseinsätze in Syrien nachgehen sollen, eine Herausforderung.

Die UNO muss jetzt schnell und unmissverständlich reagieren. Die Inspekteure müssen die Vorwürfe unabhängig untersuchen können. Dazu benötigen sie freien Zugang zu den Kampfgebieten und komplette Bewegungsfreiheit sowie die Möglichkeit, Zeugen ohne staatliche Dolmetscher und Bewacher zu befragen.

Sollte Syriens Regierung, oder auch ihr russischer Verbündeter im UN-Sicherheitsrat, sich dagegen sperren, wäre dies ein unmissverständliches Indiz dafür, dass Assad tatsächlich etwas zu verbergen hat.

Und das wäre die reale „rote Linie“, die ein aktiveres Eingreifen erzwingen müsste.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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14 Kommentare

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  • G
    Gast

    Gerüchte-Pseudo-Journalismus. Nach der Ansage von Obama (und erinnern wir uns an die Kriegsbegründung für den Irak) wäre auf Assad-Seite niemand bekloppt genug das Zeug einzusetzen. EBSW hat schon recht gut auf die gestellten Fotos hingewiesen.

  • H
    Haik

    Also es ist mir klar, dass wir nicht alles sehen und deswegen wissen können, aber wie wenn man die Nachrichten wie eine Seifenoper verfolgt, die uns vorgaukeln will, dass das eine die Bösen und das andere die Schlechten sind, dann macht die westliche Presse das ganz schlecht. Denn es scheint eher nach logischer Einsicht so zu sein, als würden hier die Rebellen selbst hand angelegt haben. Warum sollte das Assad genau dann tun, wenn die UN Untersuchungskommission kommt? Und das Regime hat sie ja reingelassen... also wer hätte jetzt ein Motiv?

  • EL
    ein leser

    Der Artikel übergeht eine wichtige Frage: Die nach dem Motiv.

     

    Wäre Assad in einer verzweifelten Lage, käme eine Verzweiflungstat in Frage. Nur ist er eben gerade nicht in einer verzweifelten Lage. Im Gegenteil waren seine Truppen in letzter Zeit recht erfolgreich. Wenn überhaupt jemand in einer verzweifelten Lage ist, dann eher Gruppen der Rebellen.

     

    Welches Motiv für einen Giftgaseinsatz könnte Assad in der aktuellen Situation haben?

     

    Dem gegenüber steht auf Seiten der Rebellen und ihrer Unterstützer ein sehr starkes Motiv. Ein Assad zugeschriebener Giftgaseinsatz könnte kriegsentscheidend zu ihren Gunsten sein.

     

    Das sagt uns jetzt weder ob noch durch wen ein Giftgaseinsatz stattgefunden hat. Aber es macht vorsichtig und schärft den Blick.

     

    Guter Journalismus betrachtet Sachverhalte kritisch und stellt Fragen.

     

    Herr Johnson, Ihr Kommentar regt nicht zum Nachdenken sondern zum Nicht-Nachdenken an. Das ist nicht, wofür die taz steht.

  • Geil auf Krieg, oder wie?

  • R
    Ralf

    Die Syrische Armee soll in großem Stil Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt haben? Das ergibt einfach keinen Sinn! Und was soll die Wortfolge "restlos bewiesen sind die jüngsten Berichte zwar bislang nicht"? Das klingt für mich, als würde die taz diesen Beweisen geradezu entgegenfiebern. Bleibt nur zu hoffen, dass Sie die mindestens ebenso eventuellen Gegenbeweise nicht unter den Teppich kehren. Die bisher einzigen Chemiewaffen in diesem Krieg wurden nachweislich von Rebellenarmeen eingesetzt!

  • T
    toddi

    Nur soviel klappt das Märchenbuch der "überbezahlten" und unterqualifizierten Lohnschreiber des Kapitals zu !!! Zitat:

    Nicht die syrische Regierungsarmee, sondern die Oppositionskämpfer haben nach russischen Angaben am Mittwoch nahe Damaskus eine Rakete mit unbekanntem chemischem Giftstoff eingesetzt.

    „Die selbstgemachte Rakete wurde am frühen Mittwochmorgen von den Stellungen der Regimegegner aus abgefeuert worden“, erklärte der russische Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Ziel des Beschusses sei ein östlicher Vorort von Damaskus gewesen, in dem die syrischen Regierungstruppen in den letzten Tagen intensiv gegen die Oppositionskämpfer vorgegangen seien.  Eine ähnliche Rakete haben Terroristen am 19. März 2013 in Khan al-Assal eingesetzt, hieß es.“

    Und wischt euch den Schaum vom Mund – ihr „Realisatoren“ - Journalisten ja selbst Reporter lernen recherchieren und vor allem logische Schlüsse ziehen . Dieses Propagandagetrommel nach wochenlangem Schweigen stinkt zum Himmel.

    Aber was hätte man auch berichten sollen ,es wurden ja nur mutmaßlich auf westlichem Befehl Spuren und Zeugen von og. Giftgaseinsatz beseitigt, Völkermord an Alaviten und andersgläubigen von sunnifaschisischen „Kreuz“fahrern bis zum Exzess betrieben ,ein paar hundert Kurden vergewaltigt, entführt, ermordet, Menschen gefoltert die Köpfe abgeschnitten, Kinder Hingerichtet - was sollte man da als „unabhängiger freier“ Schreiberling denn da informieren - ach ja die CIA hat gerade zugegeben das sie den vom Volke gewählten Präsidenten des Irans Mossadeghs geschlachtet hat - Geschichte in der Zeitschleife...

  • GS
    Günter scholmanns

    Dieses Herumgefuchtel eures Dominic Johnson mit seiner Lusterfüllung, es möge doch endlich der Ganz Große Vernichtugskrieg in Syrien vom Zaum gebrochen werden, wird immer unerträglicher. Es ist ja eine schon fast sittenwidrige Fixierung auf seinen Wunsch, dass die stattgefundenen Giftgaseinsätze doch bittebitte

    Assads Leuten in die Schuhe geschoben werden mögen. Widerlicher Journalismus sowas.

    Kann den denn niemand stoppen!

  • AU
    Andreas Urstadt

    Dominic Johnson ist Ressortleiter Ausland. Die taz faehrt neben dem dt Fernsehen die schaerfsten Angriffe. Andre Zeitungen kommen an die Schaerfe nicht ran.

     

    Es kann sehr wohl sein, dass die untereinander verfeindeten Rebellen sich selbst angegriffen haben. Das ist bereits Dauerzustand, die gehen gegeneinander los. Sowas kann man auch tun um Dritte zum Eingreifen zu bringen. Die Symptome stammen von keiner gaengigen chemischen Waffe. Es ist sogar moeglich, dass irgendwas getroffen wurde und ein Leck bekam.

     

    Inga Rogg, die auch fuer die taz schreibt, haelt sich in der nzz zurueck. So wird man nicht Ressortleiter?

     

    Weder die syrischen Rebellen noch die Muslimbrotherhood in Aegypten wuerden in westl Laendern zur Wahl zugelassen werden. D h die muessten sich hier in die Regierung schiessen.

     

    ...

  • E
    einszweidrei

    Eine rote Linie wäre dann überschritten, wenn gegen Russlandsveto in Syrien interveniert würde.

    Dann wäre nämlich wieder ganz toll das Völkerrecht übergangen worden.

  • A
    Atheism

    Ich traue im übrigen nicht nur Assad so eine Sauerei zu, sondern auch den Rebellen, Stichwort "false flag operation".

    Das Einzige, was dort hilft, Blauhelme rein, und beide Seiten entwaffnen, und das am besten nachhaltig.

  • C
    Clausewitz

    Terrible bescheuerter Artikel. Erstens ist absolut nichts bewiesen und es gibt nicht den geringsten Grund, die Anschuldigungen ernstzunehmen, und zweitens ist tot=tot. Wir sollten uns lieber mal ueber Kollateralschaeden und direkte Angriffe auf Zivilisten unterhalten. Der Unterschied existiert nur im Kopf des Schuetzen, den Toten ist er egal. In Syrien nicht zum ersten Mal. Was der Mannings/Wikileaks-Film zeigt ist kein Skandal, sondern der Normalfall.

  • B
    Beobachter

    schaut mal bei Novosti. die haben echte Informationen

  • E
    ebsw

    Wag the dog

     

    An diesen Film muss ich denken, wenn jetzt unvermittelt sintflutartig in allen Medien angenommen wird, dass Assad Nervengas eingesetzt hat.

     

    Tippe mal: Erstunken und erlogen.

     

    In den Abendmeldungen werden nun erste "Augenzeugen" zitiert. Was die zum Besten geben, kann nur zu der Erkenntnis führen, dass Nervengas nicht eingesetzt wurde. Denn dann hätten die Toten andere Symptome. Wer durch Totalverkrampfung des Nervensystems zu Tode kommt, bleibt nicht ruhig und sauber im Bett liegen bis zum Ende. Solche Bilder wurden uns aber vermittelt. Und noch so einige Lügen. Wer uns diesen Bären aufbinden will, hat von den äußeren Anzeichen eines chemischen Überfalls nicht die geringste Ahnung. Und wieso werden immer nur Tote als Beleg angeführt. Das Vielfache an Betroffenen in den Randbereichen des "Überfalls" hätte doch dann wenigstens über Symptome übereinstimmend berichten können. Und haben die dort keine Hunde, Katzen, Rinder, Ziegen, die ja dann auch verendet in der Landschaft herumliegen müssten. Ganz zu schweigen von Vögeln und Nagern.

  • L
    lord

    Warum suggeriert der Artikel das Assad Giftgas eingesetzt hat? Das macht doch überhaupt keinen Sinn, nicht mal um es den Rebellen in die Schuhe zu schieben würde es Sinn machen. Es macht einfach gar kein Sinn für Assad hier irgendwelche Risiken einzugehen 0,0.

     

    Viel mehr Sinn würde ein Einsatz auf anderer Seite machen. Muss man das wirklich erklären?