Bewaffneter Konflikt im Kongo: Uno zieht in den Krieg

Die UN-Blauhelmtruppe beginnt bei Goma eine langerwartete Offensive gegen die M23-Rebellen. Sie haben offenbar mehrfach die Stadt beschossen.

Gegen M23 und Uno: Demonstration in Goma. Bild: ap

BERLIN taz | Seit Monaten warten die Kongolesen darauf – jetzt scheint es soweit zu sein: Die neue „Interventionsbrigade“ der UN-Mission im Kongo (Monusco), die anders als die normalen Blauhelme offensiv gegen bewaffnete Gruppen vorgehen soll, zieht bei Goma in den Krieg gegen die Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März).

Bei Angriffen der neuen tansanisch-südafrikanischen UN-Sondereinheit auf M23-Positionen bei Kibati rund 15 Kilometer nördlich der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma wurde am Samstag nach südafrikanischen Angaben „eine Maschinengewehrstellung“ der Rebellen zerstört und nach anderen Berichten auch der einzige funktionsfähige Panzer der M23. Es gab auch Angriffe aus UN-Hubschraubern.

Die Rebellen warfen den UN-Truppen vor, bei Luftangriffen auf die Orte Buvumba, Kibumba und Katale im M23-Gebiet 16 Zivilisten getötet zu haben, darunter mehrere kleine Kinder. Ein UN-Sprecher bestätigte, dass zwei Soldaten aus Tansania und einer aus Südafrika durch den Beschuss einer UN-Stellung verwundet worden seien.

Es ist das erste Mal seit acht Jahren, dass UN-Truppen im Kongo dermaßen offensiv gegen bewaffnete Gegner der Regierung vorgehen. Die Monusco steigt damit in einen Krieg ein, der in der vergangenen Woche abrupt eskaliert ist und auch das Nachbarland Ruanda hineinzieht. Da Ruanda sich mit dem UN-Kriegsteilnehmer Tansania in separaten Streitigkeiten befindet, ist das regionale Eskalationspotential sehr hoch.

Kämpfe seit Mittwoch

Seit Ende 2012 stehen sich im Ostkongo M23-Rebellen und Regierungstruppen in den Hügeln nördlich von Goma gegenüber. Mehrfach hat es hier kurze, aber heftige Scharmützel gegeben, die meist mit kleinen Geländegewinnen durch die Regierung endeten.

Die jüngsten Kämpfe begannen am vergangenen Mittwoch. Seitdem sind mehrmals Raketen mitten in Goma gelandet; die M23 verfügt über Artillerie mit einer Reichweite von 15 Kilometern und hat bereits bei früheren Gelegenheiten Goma beschossen. Es gab Tote und Verletzte – fünf am Donnerstag nach Angaben der kongolesischen Regierung, drei weitere am frühen Samstag, als erneut Geschosse einschlugen.

In Reaktion auf den erneuten Beschuss gingen am Samstag früh Tausende Menschen in Goma auf die Straße, warfen den UN-Truppen Untätigkeit vor und verlangten ein entschlossenes Eingreifen gegen die M23. In extrem aufgebrachter Stimmung entwickelten sich Straßenschlachten mit der Polizei sowie mit UN-Einheiten. Mindestens zwei Demonstranten wurden unter unklaren Umständen getötet.

Unbestätigten Berichten gab es auch Übergriffe gegen Angehörige der Tutsi-Minderheit, aus der sich die M23-Armee hauptsächlich rekrutiert. Westliche Journalisten, die über die Proteste berichten wollten, wurden von den Demonstranten bedroht und verjagt. Am Nachmittag beruhigte sich die Stimmung wieder, aber internationale Organisationen wiesen ihre Mitarbeiter an, zuhause zu bleiben. Das britische Außenministerium, das in Goma eine Außenstelle der britischen Botschaft unterhält, ordnete sein Personal an, die Stadt zu verlassen.

Radikale zivilgesellschaftliche Gruppen

Die Demonstrationen gehen von radikalen zivilgesellschaftlichen Gruppen aus, die weder mit den Rebellen noch mit Kongos Regierung sympathisieren und beide verdächtigen, miteinander unter einer Decke zu stecken und dabei von der internationalen Gemeinschaft geschützt zu werden. Sie ziehen aber auch normale Bewohner an, die einfach vom Krieg genug haben.

Dass Kongos Regierung kaum etwas zur explosiven Lage im Osten sagt, dafür aber in Goma regelmäßig Oppositionsaktivisten verhaftet, heizt die Empörung weiter an. Die neuen Bombardierungen und die Massenproteste ereigneten sich, während der neue UN-Chef im Kongo, der Deutsche Martin Kobler, gerade in Goma weilte. In Reaktion auf die neuen Bombardierungen, die laut UNO durch die M23 verübt wurden, erklärte Kobler, er habe die UN-Truppen angewiesen, „auf diese schrecklichen und unbeschreiblichen Verbrechen in der stärkstmöglichen Weise zu reagieren“.

Am Abend betonte Monusco in einer zweiten Erklärung, man unterstützte Kongos Armee „mit allen verfügbaren Mitteln“. Frühere UN-Bedenken an der Disziplin und Kampffähigkeit der notorisch schlecht organisierten und zu Übergriffen an der Bevölkerung neigenden Regierungstruppen scheinen erst einmal verschwunden zu sein.

Unabhängige Untersuchung gefordert

Keine Reaktion seitens der UNO gab es auf Vorwürfe Ruandas, wonach Kongos Armee mehrmals „absichtlich“ ruandisches Gebiet beschossen hätte. Ruandas Verteidigungsministerium nannte mehrere Dörfer, in die Raketen aus dem Kongo eingeschlagen sein sollen, und warnte, man werde nicht endlos untätig bleiben. Außerdem verlangte Ruanda eine unabhängige Untersuchung durch den regionalen Überprüfungsmechanismus der Geheimdienste Kongos, Ruandas, Ugandas und Kenias.

Eine solche Untersuchung verlangen manche Beobachter in Goma auch in Bezug auf den Beschuss der Stadt. Dieser wird von offizieller kongolesischer Seite verschiedentlich entweder der M23 oder Ruanda zugeschrieben. Die M23 selbst weist jede Verantwortung zurück und sagt, Kongos Armee würde selber Goma beschießen, um die UNO in den Krieg zu ziehen.

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