Plagiatsvorwürfe gegen Steinmeier: Mit Geld vom „Focus“

Die Uni Gießen prüft die Dissertation des SPD-Politikers Frank-Walter Steinmeier. Zugleich gerät auch der Plagiatsjäger wegen seiner Methoden in die Kritik.

Rote Mappe, ernster Blick: Frank-Walter Steinmeier. Bild: dpa

BERLIN taz | Für ihren ehemaligen Doktoranden findet die Universität Gießen lobende Worte: „Frank-Walter Steinmeier ist ein verdienter und hochangesehener Alumnus“, heißt es in einem Statement der Hochschule. „Er hat daher in besonderer Weise Anspruch darauf, dass die vorliegenden Vorwürfe vollständig und zweifelsfrei nach wissenschaftlichen Kriterien einer Klärung zugeführt werden.“

Der Vorwurf: Plagiatsverdacht. Nach Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Annette Schavan (CDU) und Norbert Lammert (CDU) ist der SPD-Bundestagsfraktionchef ins Visier der Plagiatsjäger gekommen. Der BWL-Professor Uwe Kamenz, der an der Fachhochschule Dortmund lehrt, will in der Doktorarbeit des ehemaligen Außenministers genügend Indizien gefunden haben, die eine Prüfung rechtfertigen. Die Universität Gießen teilte am Montag mit, dass die Ombudsperson der Hochschule den Vorwürfen nachgehen will. Steinmeier hatte die Anschuldigungen als absurd zurückgewiesen.

Ob absurd oder nicht – zumindest die Umstände sind fragwürdig, unter denen Steinmeiers 1992 eingereichte Doktorarbeit nun in die Blick gerät. Die Methoden des Plagiatsjägers Kamenz gelten als umstrittenen: Neben seiner Tätigkeit an der FH Dortmund betreibt der Professor in Münster das „ProfNet – Institut für Internet-Marketing“. Vor zwei Jahren sorgte seine Ankündigung für Furore, mit seinem Privatinstitut und einer selbst entwickelten Software 1.000 Politikerdissertationen auf Fehler hin untersuchen zu wollen.

Dafür suchte er nach Sponsoren – und wurde nun offenbar beim Magazin Focus fündig, das am Wochenende als erstes über die Vorwürfe berichtete. Von der Zeitschrift habe er einen „finanziellen Zuschuss für die Beschaffung von Vergleichsdokumenten zur Analyse ausgewählter Politikerdissertationen“ erhalten, schreibt Kamenz in einer Mitteilung.

Mit zweimal 900 Euro habe der Focus die Arbeit des Professors unterstützt, sagte ein Verlagssprecher der taz. Auf die Auswahl der geprüften Dissertationen habe aber man keinen Einfluss gehabt. 120 Arbeiten habe Kamenz überprüft.

Steinmeier hält diesen Deal für befremdlich und bat den Präsidenten der Fachhochschule Dortmund, der Zahlung nachzugehen. Kamenz selbst war für die taz bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Nicht nachvollziehbare Berechnung

Kritik am Vorgehen des Wirtschaftsprofessors kommt vor allem Plagiatsexperten. „Ich finde das sehr unseriös“, sagte die Berliner Informatikprofessorin Debora Weber-Wulff, die sich beim Plagiatsprojekt VroniPlag Wiki engagiert, der taz. Der 279-seitige Prüfbericht, den Kamenz am Freitag an die Universität Gießen mailte, sei für sie in vielen Stellen nicht nachvollziehbar.

Eine „Gesamtplagiatswahrscheinlichkeit“ von 63 Prozent will Kamenz mit seiner Software ermittelt haben. „Ich kann nicht nachvollziehen, wie sich diese Zahl berechnet“, sagte Weber-Wulff. Die Überprüfung einer Arbeit mit einem Computerprogramm könne allenfalls Hinweise liefern: „Eine Plagiatssoftware ist kein Lackmustest.“

Bedenkliche Stellen finden sich gleichwohl in der Arbeit. Auf Seite 267 seiner Arbeit über die rechtlichen Aspekte der Wohnungslosigkeit soll Steinmeier wortgleich eine Schilderung über die Verarmung der Bevölkerung im späten Mittelalter übernommen haben, ohne sie wörtlich zu zitieren. An vielen anderen Stellen schlug die Software dagegen wegen weit geringfügigerer Fehler an.

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