Indiens Rolle bei Bali-Verhandlungen: Der WTO droht die Existenzkrise

Das multilaterale Freihandelsabkommen steht vor dem Scheitern. Indien beharrt auf Lebensmittelsubventionen. Die Gegner wittern Marktverzerrung.

Protest gegen die WTO-Verhandlungen auf Bali. Bild: ap

BALI taz | Alle gegen Indien! So lautet die Devise auf der WTO-Ministerkonferenz im indonesischen Bali. Von allen Seiten wird das, gemessen an der Bevölkerung, zweitgrößte Land der Welt für das mögliche Scheitern eines multilateralen Freihandelsabkommens verantwortlich gemacht.

Am Freitag geht das Treffen der mittlerweile 160 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation zu Ende. Sollte das sogenannte Bali-Paket dann nicht geschnürt sein, würde die WTO in eine existenzielle Krise schlittern – und nach Meinung der Freihandels-Fans eine große Chance für mehr globalen Wohlstand insbesondere in armen Ländern verpasst.

Indiens Handelsminister Anand Sharma verwehrt sich gegen den Vorwurf, aus egoistischen Interessen zu blockieren. Am Donnerstag verteidigte er die Position seines Landes. „Indien hat großes Interesse an einem Abkommen in Bali.“ Aber das Programm zur Ernährungssicherheit sei nicht verhandelbar.

Die Entwicklungsländer der G-33-Gruppe unter Führung Indiens haben die Änderung der Agrarsubventions-Regeln der Welthandelsorganisation auf die Tagesordnung der Bali-Konferenz gesetzt. Damit sollen Käufe und Verkäufe von Lebensmitteln zu staatlich festgelegten Preisen erlaubt werden. Dies erlauben die WTO-Regeln bisher nur in eng begrenzten Umfang.

Indien lehnt Kompromissvorschlag ab

Vor allem Industriestaaten, aber auch einige Schwellenländer sehen in der Bildung staatlicher Lebensmittelreserven marktverzerrende Subventionen, die ihre Exporte beeinträchtigen oder auch ihren Inlandsmarkt betreffen könnten. Indien lehnt auch den Kompromissvorschlag ab, diese Subventionen vorerst nur für einen Zeitraum von vier Jahren zu erlauben.

Für Tobias Reichert von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch ist die indische Position richtig. „Bei den Vorverhandlungen in Genf haben sich insbesondere China und die USA dagegen gestellt, die Regeln des WTO-Agrarabkommens von 1994 zu aktualisieren“, erklärte Reichert. Es bewertet Subventionen immer noch auf Grundlage der Preise von Ende der 1980er Jahre, dies sei die Ursache für Indiens Kritik. „Sollten die Verhandlungen an diesem Punkt scheitern, wäre es der Beweis dafür, dass Ernährungssicherheit und die Freihandelsvorstellungen der WTO unvereinbar sind.“

Natürlich ist es naiv, der indischen Regierung wohlwollend nur die Sorge um hungerleidende Inder zu unterstellen. Ärgerlich aber ist, dass im Gezeter um die starre Haltung Indiens andere fragwürdige Aspekte des umstrittenen Bali-Pakets untergehen. Die Handelserleichterungen, über die auch noch kein endgültiger Konsens gefunden wurde, würden den exportorientierten Industrie- und Schwellenländern Milliardenvorteile bescheren. Kein Wunder, dass aus EU-Kreisen verlautete, sie würden alles unterschreiben, um die Bali-Vereinbarung zu retten.

Zweifelhaft ist auch das Maßnahmenpaket, mit dem die ärmsten Staaten unterstützt werden sollen. Im Gegensatz zu den Zollvereinbarungen seien diese „nicht bindend, sondern wieder einmal nur wohlklingende Versprechen“, kritisiert Alexis Passadakis von Attac Deutschland. Also Freihandel ganz nach Gusto der Unternehmen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.