Aufarbeitung in Ungarn: Holocaust-Gedenken ohne Juden

Der Verband Jüdischer Gemeinden Ungarns nimmt nicht an den Erinnerungsfeiern zur Shoa teil. Ihr Vorwurf: Ungarn entziehe sich seiner Mitverantwortung.

Jüdischer Mann bei Budapester Gedenkveranstaltung im vergangenen Jahr. Bild: dpa

BUDAPEST dpa | Der Verband Jüdischer Gemeinden Ungarns hat aus Protest gegen die Regierung seine Teilnahme an den staatlich organisierten Holocaust-Gedenkfeiern abgesagt. Die Entscheidung fiel am Sonntag nach einer Generalversammlung der Gemeinden in Budapest.

Der Verband beanstandet unter anderem den Plan der Regierung, eine Statue zum Gedenken an den Beginn der Okkupation Ungarns durch Nazi-Deutschland am 19. März 1944 zu errichten. Kritisiert wird, dass damit keine Anerkennung der Mitverantwortung Ungarns am Holocaust deutlich wird. Dem Protest des Verbandes schloss sich auch der Jüdische Weltkongress (WJC) an.

Das Denkmal soll nach bisherigem Plan einen deutschen Reichsadler darstellen, der einen „Erzengel Gabriel“ angreift, welcher Ungarn verkörpert. Ungarns damalige Machthaber stünden damit zu Unrecht als personifizierte Unschuld da, meinen der jüdische Verband sowie zahlreiche namhafte Historiker.

Demnach wäre die Deportation von rund 600 000 ungarischen Juden in Nazi-Konzentrationslager ohne massive Mitwirkung ungarischer Behörden unmöglich gewesen.

Der Verband verlangt außerdem, dass die Errichtung einer Gedenkstätte unter dem Namen „Haus der Schicksale“ gestoppt wird, weil aus seiner Sicht die Geschichtsdeutung unklar ist.

Kritik an der Begründung

Die Regierung will mit diesem Projekt, das im alten Josefstädter Bahnhof in Budapest entstehen soll, speziell an die von den Nazis deportieren Kinder erinnern. Anstoß erregte dabei vor allem der Begriff „Schicksal“, weil er aus Sicht des Verbandes suggeriert, dass für die Nazi-Verbrechen keine konkreten Täter, sondern eine Art überirdischer Vorbestimmung verantwortlich ist.

Der Verband verlangt außerdem, dass Sandor Szakaly, Direktor des staatlich geförderten historischen Forschungsinstituts Veritas, sofort entlassen wird. Skakaly hatte gesagt, die Deportation von Juden in die von Nazi-Deutschland besetzte Ukraine im Jahr 1941 sei nur eine „fremdenpolizeiliche Maßnahme“ der ungarischen Behörden gewesen.

Im ukrainischen Kamenec-Podolsk ermordeten die Nazis Ende August 1941 rund 23 600 Juden. Die meisten von ihnen waren als „Staatenlose“ aus Ungarn dorthin deportiert worden.

Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orban hat eine seit langem erwartete Antwort auf die Forderungen der Jüdischen Gemeinden auf kommende Woche verschoben.

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