Studie zu Online-Verhalten: Protest draußen, Petition im Netz

Hamburger Forscher untersuchen das politische Engagement junger Menschen on- und offline. Fazit: Viele Gemeinsamkeiten und ein altes Problem.

Nur spielende Jugendliche oder die Anführer politischer Online-Petitionen? Bild: dpa

BERLIN taz | Junge Erwachsene nutzen das Internet nicht nur als Spaß- und Unterhaltungsmedium sondern auch, um sich politisch zu engagieren. Wie sie das im Vergleich zur Offline-Welt tun, haben Wissenschaftler der Hamburger Helmut Schmidt Universität in einer repräsentativen Umfrage unter 22- bis 35-Jährigen untersucht.

Demnach sind gerade politisch aktive Menschen auch im Netz politisch engagiert. Allgemein ist politisches Engagement online – ebenso wie offline – jedoch nach wie vor ein „Minderheitenphänomen“, sagt Claudia Ritzi, Mitarbeiterin der Studie. So gaben nicht einmal zehn Prozent der Befragten an, jemals einen Politiker über das Internet kontaktiert zu haben. Einen politischen Beitrag haben rund 14 Prozent der Befragten schon einmal gepostet.

Höher liegt die Beteiligung lediglich bei den Online-Petitionen. Diese sorgen, wie beispielsweise im Fall von Markus Lanz, verstärkt für medialen Wirbel. Ihre Wirkung in der Politik ist bislang jedoch eher bescheiden.

Claudia Ritzi und ihren Kollegen ging es anhand der Umfrage vor allem darum, die Motive politisch engagierter junger Menschen online und offline zu vergleichen. Das Ergebnis: Gerade was die Politik angeht, seien die Beweggründe für das Engagement inner- und außerhalb des Internets sehr ähnlich. Die Befragten wollen sich politisch Gehör verschaffen, auf Missstände hinweisen oder Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen.

Online-Profile als politisches Alibi

Allerdings stuften die Teilnehmer der Umfrage ihre Chancen, online politische Entscheidungen tatsächlich beeinflussen zu können, wesentlich geringer ein, als offline. Hier ist für sie die Aussicht größer, beispielsweise mit Demonstrationen auf politische Prozesse einzuwirken. Ihr digitales politisches Engagement beschränkt sich deshalb eher darauf, politische Themen zu diskutieren oder Artikel zu teilen.

Die schwächeren Einflussmöglichkeiten der Online-Partizipation könnten auch mit einer Geringschätzung seitens der Politik zusammenhängen, so Ritzi. Zwar seien Politiker heute unter „starkem Druck, online aktiver zu werden“. Viele müssten den Wählern jedoch noch beweisen, ihre Netz-Profile nicht nur als eine Art „Alibi-Funktion“ zu nutzen. Ritzi sieht die Politiker daher in der Pflicht, die Anliegen der Wähler online ernster zu nehmen.

Für Ritzi haben die Ergebnisse der Umfrage in anderer Hinsicht einen „bitteren Beigeschmack“, denn sie zeigen: Der „Eliten-Bias“ setzt sich auch im Internet fort. Die sozialökonomisch besser gestellten und gebildeten Schichten engagieren sich neben ihren Offline-Aktivitäten auch in den digitalen Netzwerken. Umgekehrt enthalten sich gering gebildete und einkommensschwache Bevölkerungsgruppen häufiger als andere Teile der Bürgerschaft von politischen Prozessen.

„Wir sehen keine Indizien für eine Linderung der sozialen Spaltung“, sagt Ritzi. Die Studie entkräftet damit Hoffnungen an demokratisierende Kräfte des Internets. Nur, weil es im Internet neue Möglichkeiten politischer Beteiligung gibt, fördern diese offenkundig nicht automatisch den sozialen Ausgleich in Deutschland.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.