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WM-Aus von Neymar„Wir werden für ihn beten“

Die Brasilianer reagieren geschockt und wütend auf Neymars schwere Verletzung. Die Fifa hat derweil Ermittlungen ankündigt.

„Ich hoffe, dass er sich mit Gottes Hilfe wieder erholt“, sagte Kolumbinens Zúñiga nach dem Spiel und entschuldigte sich für das Foul. Bild: reuters

FORTALEZA/BERLIN dpa | Die Hiobsbotschaft vom WM-Aus für Superstar Neymar löste im Land des WM-Gastgebers einen Schockzustand aus und trübte die Vorfreude auf den Halbfinal-Kracher gegen „Alemanha“. Ohne ihren Top-Stürmer muss die Seleção am Dienstag gegen Deutschland den Traum vom „Hexacampeão“, dem sechsten WM-Titel, am Leben erhalten.

„Das wird sehr schwierig. Aber wir werden alles geben, damit unser Traum weitergeht“, sagte Luiz Gustavo vom VfL Wolfsburg vor der nächsten Herausforderung des WM-Gastgebers. Neymar fehlt dann wegen eines Wirbelbruches, den er beim 2:1 im Viertelfinale gegen Kolumbien erlitt. Die Nachricht von der Verletzung des 22-Jährigen verbreitete sich rasend schnell und erstickte den Jubel über den Einzug ins Halbfinale. Torschütze und Innenverteidiger David Luiz brach in den Katakomben des Castelão von Fortaleza in Tränen aus.

„Wir werden einen Pakt abschließen, um ihn zu unterstützen, um an seiner Seite zu sein. Und auch um die Stärke dieser Mannschaft auf dem Platz zu zeigen“, sagte er. „Ich bin sehr besorgt. Wir werden für ihn beten.“ Die Brasilianer müssen sich nun schnell aufrappeln. Gegen die DFB-Auswahl wird wohl Bundesliga-Profi Luiz Gustavo vom VfL Wolfsburg nach seiner Gelbsperre in die Startformation zurückkehren, und auch Dante fiebert dem Spiel in Belo Horizonte entgegen. Der Innenverteidiger vom FC Bayern München darf sich wegen des Ausfalls von Thiago Silva große Hoffnungen auf seine WM-Premiere machen. Der Kapitän sah seine zweite Gelbe Karte.

„Wir sind in einer Situation, dass sich das jetzt alles ändert gegen Deutschland. Aber wir haben große Spieler wie Dante“, deutete Trainer Luiz Felipe Scolari einen Einsatz des Bayern-Profis an. Für den 65-Jährigen wird das Heimspiel des fünfmaligen gegen den dreimaligen Weltmeister ein Déjà-vu: Schon beim 2:0-Sieg im WM-Endspiel vor zwölf Jahren in Yokohama saß er auf der Bank.

Gegen Deutschland muss er nun seinen talentiertesten und mit vier Treffern erfolgreichsten Spieler ersetzen: Neymar wurde vom Platz getragen, nachdem ihm kurz vor Schluss Juan Zúñiga in den Rücken gesprungen war. Am Samstag kündigte der Weltverband FIFA Untersuchungen in dem Fall an. Die Disziplinarkommission werde die mögliche Einleitung eines Verfahrens prüfen, teilte eine Sprecherin mit.

„Bruch des dritten Lendenwirbels“

Noch am Abend zuvor war im Fernsehen zu sehen, wie Neymar mit einem weißen Tuch auf das Gesicht gepresst in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Der 22-Jährige flog in der Nacht zum Samstag mit der Mannschaft von Fortaleza nach Rio de Janeiro. Von dort aus wurde er in Begleitung des Mannschaftsarztes José Luiz Runco in das etwa 100 Kilometer nördlich gelegene WM-Quartier „Granja Comary“ gefahren. „Neymar hat einen Bruch des dritten Lendenwirbels“, sagte Rodrigo Lasmar, einer der Mannschaftsärzte der Seleção. Es werde einige Wochen dauern, bis der Spieler seine volle Bewegungsfähigkeit wiedererlangt habe. „Er wird nicht binnen einer Woche genesen.“ Scolari berichtete: „Er weinte vor Schmerzen.“

Kolumbiens Verteidiger Juan Zúñiga schlug nach seinem heftigen Foul an Brasiliens Topstar im Internet heftige Wut aus dem Gastgeberland entgegen. „Ganz egal, welches Team du unterstützt – du hasst diesen Typen, weil er Neymars Weltmeisterschaft beendet hat“, stand unter einem Bild Zúñigas, das sich über Twitter verbreitete. Der 28-Jährige war Neymar im Viertelfinale am Freitag mit dem Knie in den Rücken gesprungen, so dass der brasilianische Stürmer mit einem Wirbelbruch ausgewechselt werden musste. Die WM ist für Neymar damit zu Ende.

Unzählige Nutzer – zum großen Teil aus Brasilien – machten ihrer Wut auf den Kolumbianer unter dem Twitter-Hashtag //twitter.com/hashtag/zuniga:#Zuniga und auch auf einer Facebook-Seite unter Zúñigas Namen und mit seinem Foto mit teils heftigen Verwünschungen oder gar Morddrohungen Luft. Manche sprachen von einem „Attentat auf Neymar“.

Für Verwunderung sorgte, dass das Foul nicht einmal mit einer Gelben Karte geahndet wurde. Allerdings erhielt er auch Zuspruch. Zúñiga selbst hatte sich nach dem Spiel für das Einsteigen gegen Neymar gerechtfertigt. „Als ich da reingegangen bin, habe ich an nichts Böses gedacht. Ich hoffe, dass er sich mit Gottes Hilfe wieder erholt“, sagte Zúñiga.

Energieleistung

Gegen Kolumbien hatte Brasilien eine Energieleistung gezeigt, war gegen das Überraschungsteam allerdings teilweise sehr hart eingestiegen. Die Innenverteidiger Thiago Silva (7. Minute) und David Luiz (69.) hatten ihre Mannschaft in Führung gebracht. Kolumbiens Shootingstar James Rodríguez schaffte vor 60.342 Zuschauern im Estádio Castelão mit seinem sechsten Turniertor (80./Foulelfmeter) nur den Anschlusstreffer und vergoss später bittere Tränen, bevor ihn David Luiz liebevoll tröstete.

Auch Trainer José Pekerman verlor am Ende einer „wunderbaren WM“ seiner tapferen Cafeteros die Fassung. „Das ist ein sehr harter Moment für uns. Wir hatten immer den Traum, dieses Match zu gewinnen“, sagte der Argentinier nach der verpassten Sensation.

Staatspräsident Juan Manuel Santos saß im roten Nationaltrikot auf der Tribüne und lobte die Mannschaft nach dem größten Erfolg ihrer WM-Historie. „Wir Kolumbianer sind alle stolz auf unsere Nationalelf. Ihr habt Geschichte geschrieben, Dank für so viele Freude!" Nach Ansicht von David Luiz, dem Man of the Match, müsse man beiden Mannschaften für „ein großartiges Spiel“ gratulieren - „und jetzt haben wir das tolle Duell mit Deutschland: eine große Mannschaft, mit einer großen Spielphilosophie, einem großen Coach“.

Dante verbarg seine Begeisterung über diese Konstellation erst gar nicht. „Ich freue mich sehr und bin schon ein bisschen heiß“, sagte der 30-Jährige, der bisher nur die Bank drückte. „Wir spielen zu Hause, deshalb haben wir mehr Druck. Aber Deutschland ist auch einer der Favoriten.“

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