Kommentar Google-Urteil: Richter dürfen laut nachdenken

Ein Verfassungsrichter hat das Urteil vom Europäischen Gerichtshof zum „Recht auf Vergessen“ kritisiert. Das ist okay – bloß nicht besonders klug.

Tanzt aus der Reihe: Verfassungsrichter Johannes Masing (2. von rechts). Bild: dpa

Johannes Masing ist als Verfassungsrichter in Karlsruhe für Meinungsfreiheit und Datenschutz zuständig. Klar, dass er sich sofort Gedanken machte, als der Europäische Gerichtshof (EuGH) Mitte Mai sein Urteil zur Suchmaschine Google verkündete und ein Recht auf Bereinigung der Suchergebnisse zum eigenen Namen postulierte.

Masing schrieb einen kritischen Vermerk, 22 Seiten lang, und verteilte ihn an andere Richter, Politiker, Wissenschaftler, Datenschützer und Journalisten. Jetzt wurde das Papier bekannt, und sofort kam die Frage auf: Muss solche „Post aus Karlsruhe“ nicht veröffentlicht werden?

Nein, muss sie nicht. Auch ein Verfassungsrichter kann selbst entscheiden, wie er am öffentlichen Diskurs teilnimmt. Er kann Vorträge halten, Interviews geben, Fachaufsätze schreiben, ganz öffentlich. Aber er kann auch eine „vorläufige Einschätzung“ formulieren und sie an ausgewählte Personen weitergeben, um mit ihnen in eine zunächst private Diskussion einzutreten. So war es hier offensichtlich gedacht.

Ob dieses Verfahren auch klug war, ist eine andere Frage. Dass das Papier früher oder später öffentlich wird, damit musste Masing rechnen. Jetzt wird er mit Positionen aus dem Mai zitiert, die er heute vielleicht gar nicht mehr vertritt.

Schließlich war auch seine spontane Kritik am EuGH-Urteil teilweise problematisch. Sein Vorschlag, dass Bürger direkt mit den Medien streiten sollen, statt Anträge bei der Suchmaschine Google zu stellen, würde zwar die Position von Google schwächen, zugleich aber die Zensur von Pressearchiven ermöglichen. Für die Kommunikationsfreiheit wäre das eher kontraproduktiv. So gesehen ist es doch beruhigend, dass Vorschläge von Johannes Masing erst einmal nur „vorläufige“ waren.

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