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Leihmutter-Skandal in AustralienDas „Down-under-Syndrom“

Ein australisches Paar hat eine Leihmutter in Thailand mit einem Baby sitzen lassen, weil es das Down-Syndrom hat. Viel Grund zur Aufregung.

Nicht wie bestellt? Man nimmt, was man kriegt, denkt sich die Mutter von Gammy. Bild: dpa

Ein australisches Ehepaar weigert sich, den Zwillingsbruder eines von einer Leihmutter geborenen Kindes ebenfalls mit nach Australien zu nehmen, weil er das Down-Syndrom hat. Die 21-jährige Leihmutter wendet sich an die Presse, die australische Öffentlichkeit spendet über 150.000 Euro für eine notwendige Herz-Operation und viele bieten sich als Adoptiveltern an. Die Leihmutter will ihn aber behalten und wird dafür vom australischen Einwanderungsminister als „Heldin“ und „Engel“ bezeichnet.

An dieser Meldung ist so einiges bemerkenswert, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Zunächst einmal das dubiose Leihmutter-Modell in einer rechtlichen Grauzone, bei dem arme Frauen aus Thailand reichen Australiern den Kinderwunsch gegen Bargeld erfüllen. Der Deal hilft zwar allen Beteiligten, allerdings wird bei dieser Form des Menschenhandels über den Körper der Frauen verfügt. Im Zweifel bleiben sie rechtlos und allein zurück. Wie in diesem Fall, in dem zwar für das bestellte Kind, nicht aber für die „beschädigte Ware“ bezahlt wurde.

Den einen Zwilling vom anderen zu trennen – das muss man erstmal bringen. Die riesige Anteilnahme und die zusammengekommene Spendensumme für den Jungen Gammy wiederum ist erstaunlich, da seit es den Trisomie-21-Frühtest gibt, fast alle Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben werden. In den Fällen, in denen diese Kinder zur Welt kommen, haben sich die Eltern meistens der pränatalen Frühdiagnostik verweigert – wofür sie sich nach der Geburt eines behinderten Kindes häufig rechtfertigen müssen.

In den seltensten Fällen werden Eltern als „Helden“ oder „Engel“ bezeichnet, wenn sie ein Kind mit Down-Syndrom bekommen, beziehungsweise behalten. Dabei ist das ja wohl die natürlichste Sache der Welt, dass Eltern ihre Kinder lieben, auch mit dreifachem Chromosom.

Denn, und das ist der Irrtum in vielen der Pressemeldungen, Gammy „leidet“ nicht an dem Down-Syndrom und das ist auch keine Krankheit. Er leidet zur Zeit an den Ausläufern einer Lungenentzündung und muss am Herzen operiert werden. Dass das geschehen kann, dafür hat die junge Frau, die bereits zwei Kinder hat und in einer Garküche am Straßenrand arbeitet, gesorgt, als sie ihren Fall publik gemacht hat. Letztendlich hat es Gammy wohl am besten getroffen.

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11 Kommentare

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  • Wenn eine einheitliche Gesetzeslage in Europa zustande käme, dann müsste das von den einzelnen Staaten angestrebt werden. Die Institutionen der EU könnten dies dann legalisieren.”

    http://de.euronews.com/2014/10/31/leihmutterschaft-in-europa/

  • In Tschechien wird es auch praktieziert... Man braucht Vertragschließen unbedingt. Solche Maßnahmen sind ohne Vertäge ilegal.

  • Ja, juristisch gesehen, muss alles perfekt sein. In der Ukraine ist es alles Ok, was die Verträge anbetrifft.Rechte und Pflichte sind dort verankert.

  • In diesem Fall soll man nur die Klinik beurteilen, wo das Programm von Leihmutterschaft durchgeführt wurde. Unter Aufsicht der Klinik müssen beide Parteien den Vertrag schließen. Z.B. die ukrainischen Kliniken fordern Verträge unbedingt auf. Dann ist es dort hingewiesen, wer die Haftung tragen muss...

  • Oh dieses Land! Keine Gesetze! Wenn es sich um die Leihmutterschaft handelt, muss man nur Europa oder Amerika in Betracht ziehen!

  • natuerlich ist Trisomie-21 eine Krankheit. Eine nicht heilbare Erbkrankheit.

    Ob ein Mensch an einer Krankheit "leidet" oder sie als unvermeidlich akzeptiert, das ist eine ganz andere Frage.

    • @Blauer Apfel:

      Sie irren sich. Trisomie-21 ist keine Erbkrankheit. Sie ist eine Chromosomenveränderung, die in der Natur genauso vorkommen kann wie ein sechster Finger. Das mag so manche Menschen erstaunen, aber es ist keine heil- oder unheilbare Krankheit. Solche Menschen entwickeln sich natürlich anders, haben aber einen immensen Reichtum an Liebe und Ausdrucksfähigkeit zu verschenken. Lernen Sie einfach mal welche kennen.

      • @noevil:

        Sie pflegen aber auch so eiin Kind ein Leben lang?

        Eher unwahrscheinlich. Zu 99% trennen sich die Paare und die frau bleibt alleine mit dem Kind zurück.

        habe ich selbst beobachtet.

        • @Leserin1:

          Haben Sie Kinder? Dann erübrigte sich i.d.R. die Frage, denn Sorgenkinder werden von ihren Müttern mit erheblich mehr Aufmerksamkeit und Fürsorge betreut als Kinder, die gesund und munter "mitlaufen" (neben einem Mann, der sich zu kurz gekommen sehen mag). Mir sind nicht sehr viele Paare mit Trisomie-21-Kind bekannt. Die sind nicht getrennt. Es gibt auch Hilfs- und Entlastungsmöglichkeiten für die Eltern.

           

          Aber das betrifft alles nur unsere europäische Sicht und bringt nur vom Thema ab. Eigentlich ging es soweit ich verstehe um die Tatsache, dass Kinderlose ein Kind bei einer Leihmutter bestellen(!) und dann - wie bei uns im Versandhandel - das abnehmen, was gefällt und die nicht passende Rest"ware"!! zurück(gehen) lassen. Das geht geht an die Menschenwürde dieser Babies.

  • haha, menschen sind sooo scheiße!

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Gammy kann in der Tat froh und glücklich sein, nicht bei "solchen" Eltern leben zu müssen. Wie pervers kann das menschliche Hirn nur sein? Von Herz kann man bei diesen Leuten ja wohl kaum ausgehen...