Wahlkampf in Brandenburg: Woidke ja, Essigschlürfer nein

Der Ministerpräsident punktet mit seiner trockenen Art. Aus dem Reizthema Flughafen hält er sich vorsichtshalber raus.

Möchte sein Amt verteidigen: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Bild: dpa

BERLIN taz | Ob der Wahlkampf gut läuft oder schlecht, können Politiker an Fragen von Journalisten zuverlässig ablesen. Kurz vor der Bundestagswahl 2013 zum Beispiel trat Peer Steinbrück (SPD) zum Foto-Interview beim Magazin der Süddeutschen Zeitung an. „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen?“, lautete eine der Fragen. Steinbrück hielt den Mittelfinger in die Kamera. Das war es dann endgültig mit der Kanzlerschaft.

Als Dietmar Woidke in der vergangenen Woche zu einem Wahlkampfauftritt in Oranienburg eilt, passt ihn vor der Tür ein Fernsehteam des RBB ab. „Sie sind einer der beliebtesten Politiker Brandenburgs“, sagt der Reporter. „Wie haben Sie das geschafft?“ SPD-Mann Woidke kann den Mittelfinger stecken lassen. Er glänze nun mal nicht durch Ahnungslosigkeit, antwortet er. Ministerpräsident von Brandenburg, das scheint klar, bleibt Woidke auch nach der Landtagswahl am kommenden Sonntag.

In Umfragen lag seine Partei zuletzt bei bis zu 33 Prozent und damit deutlich vor der CDU. Gut möglich, dass Woidke weiter mit der Linkspartei regiert. Sein Vorgänger Matthias Platzeck hatte 2009 die erste rot-rote Koalition des Bundeslandes geschmiedet. Woidke wurde damals Fraktionschef im Landtag, zwei Jahre später Innenminister. In die Staatskanzlei wechselte er, nachdem Platzeck im vergangenen Sommer zurücktrat.

Dröge, sachlich, nüchtern

Überregional ist Woidke seitdem nicht aufgefallen. Das könnte mit seiner Art zu tun haben, die landestypisch eher dröge ausfällt. Oder wie es in Brandenburg heißt: sachlich und nüchtern. Den Wählern vor Ort gefällt der Stil jedenfalls.

In Oranienburg dürfen sie einzeln beim Ministerpräsidenten vorsprechen. Hinten in der Schlange wartet ein Rentner. Stinksauer. Ehrenamtler sei er, im Fußballverein, beim Behindertensport, in der Bürgerstiftung, und als Dank bekomme er nichts weiter als freien Eintritt ins Heimatmuseum. Was denken die da oben sich denn, fragt der Wutrentner: Im Heimatmuseum war er doch schon zwanzig Mal.

Unter allen Brandenburgern scheint der Mann in diesem Moment der unzufriedenste zu sein. Und doch bekennt er: Am kommenden Sonntag wird er SPD wählen. „Wir brauchen hier keine Essigschlürfer“, keine Weintrinker, meint er. „Der Woidke spricht unsere Sprache!“

Das Einer-von-uns-Image

Das Einer-von-uns-Image steht im Mittelpunkt des SPD-Wahlkampfs, das zeigt der Kandidat in Oranienburg. „Ich habe ja auch eine Tochter in der neunten Klasse“, sagt Woidke, als es um die Bildungspolitik geht. Die SPD will nach der Wahl 4.000 neue Lehrer einstellen. „Ich komme ja selbst aus der Grenzregion“, sagt er, als ein Bürger nach den vielen Einbrüchen im Bundesland fragt. Woidke federte zuletzt die Polizeireform ab, die vorsah, knapp 2.000 Stellen zu streichen. „Ich bin ja auch ein früher Rückkehrer“, sagt der Ministerpräsident, als es um die vielen Brandenburger geht, die im Westen arbeiten, aber eigentlich nach Hause wollen.

Direkt nach der Wende zog Agraringenieur Woidke nach Niederbayern, um für einen Futtermittelhersteller zu forschen. Schon drei Jahre später war er wieder in der Lausitz. Zurück auf dem Bauernhof, der den Woidkes seit Jahrhunderten gehört. Ein heimatverwurzelter Spitzenkandidat und ein Wahlkampf ohne große Konflikte: Das lässt den Wahlsieg für die SPD schon jetzt relativ sicher erscheinen.

Nicht mal das BER-Debakel ist eine ernsthafte Gefahr. Dass der Flughafen noch immer nicht in Betrieb ist, könnte anderswo zur Abwahl einer Partei führen, die seit 24 Jahren ununterbrochen den Ministerpräsidenten stellt. Woidke aber hat es geschafft, sich vom Airport fernzuhalten. Auf den Chefposten im Aufsichtsrat, den Platzeck innehatte, verzichtete er; dafür sprang Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ein. Führungsschwäche, rief die Opposition. Aber die Wähler machen Woidke nun nicht für den Flughafen verantwortlich.

Nur nach der Wahl könnte es mit dieser Strategie schnell vorbei sein: Wenn Wowereit im Dezember als Bürgermeister abtritt und auch sein Nachfolger nicht in den Aufsichtsrat möchte. In dem Fall wäre Woidke an der Reihe. Wegducken kann er sich dann nicht mehr.

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