Predigten zum Ersten Weltkrieg: Heldenlieder von der Kanzel

Daran, wie auch Bremer Pastoren ab 1914 dem Frontgeschehen zu einem geistlichen Überbau verhalfen, erinnerte ein Vortrag des Historikers Jörg Wollenberg.

Musste die Moral der Krieger stärken: ausgerechnet der Gekreuzigte. Bild: Wehrgeschichtliches Museum Rastatt

BREMEN taz | „Adventszeit ist’s, große deutsche Vorbereitungszeit zum letzten Gang“, diese Worte klangen am 9. Dezember 1917 von der Kanzel der Horner Kirche. „Gott gebe, dass es ein Helden- und Siegesgang werde wie bisher, dass allen Schwarz- und Dunkelsehern unter uns die Augen übergehen möchten vom Licht“, so predigte damals Pastor Karl König.

„Jetzt wird alles vorbereitet zu den letzten Schlägen“, erklärte er seiner Gemeinde. „Man fasst es kaum, wie selbst jetzt noch Leute unter uns sein können, denen jeder Blick für die Größe des Geschehens und für die ungeheure Tat fehlt, die Deutschland dem Frieden auf Erden gerade jetzt zu leisten sich anschickt.“

Im Rahmen der Erinnerung an die Rolle der Kirche im Ersten Weltkrieg, der vor 100 Jahren ausbrach, hat der Bremer Schauspieler und Lehrer Gerald Schneider solche Predigttexte gestern vorgetragen. Denn König war ein typischer Repräsentant der bremischen evangelischen Kirche seiner Zeit:

Im Gottesdienst waren damals sonntags die Regimentsfahnen beim Altar gehisst, neben denen Offiziere mit gezogenem Degen wachten, bevor sie zum Abendmahl gerufen wurden, wie der Historiker Jörg Wollenberg in der Villa Ichon am Montag erläutertete: Sein Vortrag trug den bösen Titel „Mit Gott dem Herrn zum Krieg“.

Wie weit die Kriegsbegeisterung in der Bremischen Kirche ging, zeigt auch eine Predigt von Emil Felden. Felden war als liberaler Protestant, der bei Albert Schweizer studiert hatte, 1907 als Pfarrer an die Martini-Gemeinde berufen worden. Er lehnte jegliches Dogma ab, war kirchenpolitisch fortschrittlich. 1933 wurde er von den Nazis aus dem Pfarramt entlassen, seine Bücher wurden verbrannt.

Aber 1915 war Felden von der Mission des Krieges überzeugt und erklärte seiner Martini-Gemeinde von der Kanzel, das deutsche Volk müsse „große Aufgaben übernehmen“ und dafür in den Schützengraben ausharren. Ganz profan stellte er den deutschen Nationalismus in eine weltgeschichtliche Kulturaufgabe: Es gehe um „Macht und Ehre – für die ganzen Menschheit“ und natürlich um den „Fortschritt“, dafür lohne es sich, „auszuharren bis ans Ende“.

Manche Pastoren haben diese Botschaft stärker theologisch eingekleidet. Das Bibelwort seiner Predigt entnahm König dem Lukas-Evangelium: „Ich bin gekommen, dass ich ein Feuer anzünde auf Erden.“ Als wolle er die Theologie der deutschen Christen in der Nazizeit vorwegnehmen, legte König 1917 dieses Jesus-Wort aus:

„Nur jetzt zäh sein, nur jetzt geduldig und tapfer sein! Dann wird die Vorbereitungszeit zur Zeit der Erfüllung. Aus deutschem Advent wird deutsches Weihnachten und deutscher Friede.“

Der Hamburger Pfarrer Max Glage ging in seinen theologischen Analogien noch einen Schritt weiter. Er predigte: „Zuletzt entscheidet in den Kriegen und Siegen der Weltgeschichte doch nicht die äußere Heeresstärke und die Gewalt der Waffen, sondern die Macht des Heiligen Geistes die Frage aller Fragen.“ Dabei seien Christen selbstverständlich die besseren Soldaten, denn: „Wir können nicht nur tapfer leiden, sondern auch freudig sterben.“

Die Kriegsbegeisterung der Pfarrer von 1915 kann man vielleicht noch erklären mit dem Hinweis, dass der Krieg die Menschen wieder mehr in die Kirchen trieb. Doch 1917 litt die Bevölkerung unter der Kriegswirtschaft, während der Gottesdienste konnte oft nicht geheizt werden, auch in Bremen wurden Orgelpfeifen und Kirchenglocken als „Kriegsmetall“ eingeschmolzen. Umso heftiger die Durchhalteparolen.

Dass die Kriegsbegeisterung keineswegs zwingend war, zeigen Beispiele wie das von Auguste Kirchhoff. Sie schrieb in einem Brief am 26. Juli 1914: „Ich stehe ja wohl mit meinen Ansichten ganz allein und man hat mir gesagt, ich solle sie gefälligst für mich behalten; aber für mich ist der Krieg Massenmord, ein Verbrechen, und der ihn herbeiführt ist ein Verbrecher.“

1915 gründete Auguste Kirchhoff den „Hausfrauenverein Bremen“, der die Folgen des Krieges thematisierte und sich für die Überwachung der Lebensmittelpreise angesichts von Wucher und Schwarzmarkt engagierte. 1916 trat sie aus der Bremischen Evangelischen Kirche aus.

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