Schwule und Knochenmarkspende: Blut pfui, Knochenmark hui

Seit wenigen Wochen dürfen Schwule, Prostituierte und Häftlinge ihr Knochenmark spenden. Ihr Blut allerdings bleibt für Spenden weiter tabu.

Da wird doch kein schwules Blut dabei sein? Bild: dpa

Schwules Blut, Blut von Gefängnisinsassen oder Huren? Nein, das wollen wir nicht. Da gibt es ja genug von. Aber wenn es richtig gefährlich wird, nimmt man gerne ihre Organe – und jetzt auch ihr Knochenmark. Ganz konkret Leben retten dürfen diese gefährlichen Homos, die schmutzigen Prostituierten und die kriminellen Häftlinge also. Das ist zwar immer noch irgendwie igitt und pfui, aber es geht ja um Leben und Tod.

Ihre Organe konnten sie schon immer spenden, seit dem 18. Dezember dürfen bi- und homosexuelle Männer sowie andere „Risikogruppen“ wie Prostituierte und Gefängnisinsassen nun auch Knochenmark spenden. In den „Standards für die nicht verwandte Blutstammzellspende“ des Zentralen Knochenmarkspender-Registers Deutschland (ZKRD) wurde der Absatz, der sie bisher ausschloss, gestrichen.

Kommuniziert wurde diese Neuregelung aber nicht. Weder vom ZKRD noch von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Auf deren Homepage findet sich ein kleiner Hinweis, versteckt in den FAQ. Man müsse noch eine Sprachregelung finden, erklärte ein DKMS-Sprecher. Die Weihnachtszeit, Silvester, Neujahr. Alles schwierig. „Wichtig ist ja, dass wir wissen, dass die Risikogruppen nicht mehr ausgeschlossen sind.“

Das ist schön, nur niemand weiß es. Die Geheimhaltungs-Strategie ist grotesk, fordert die DKMS doch schon seit langem, die Richtlinien zu lockern. Warum verbreitet sie diesen Erfolg nicht öffentlich? Bei jedem noch so kleinen Event werden Dutzende Pressemitteilungen verschickt. Doch diese Maßnahme wird beinahe totgeschwiegen. Schämt man sich dafür? Hat man Angst vor den Reaktionen verblendeter Konservativer?

Dabei ist es eine gute Nachricht, denn das bisherige Verbot war schlicht diskriminierend. Es stellte alle schwulen Männer unter den Verdacht, hemmungslose Rudelbumser zu sein. Zwar haben sie statistisch ein höheres HIV-Risiko, es geht aber eher um risikohaftes (Sexual-)Verhalten. Wer als schwuler Mann monogam in einer Beziehung lebt, ist weniger HIV-gefährdet als heterosexuelle Frauen oder Männer, die munter durch die Gegend vögeln. Ebenso können Prostituierte verhüten, und nicht alle Häftlinge werden von Männern ohne Kondom vergewaltigt oder spritzen sich Heroin.

Verlogene Unterscheidung

Das Verbot von Blut- und Knochenmarkspenden wird mit der sogenannten Fensterphase begründet. Zwar werden alle Spenden auf ansteckende Krankheiten wie etwa den HI-Virus untersucht, allerdings lässt sich eine frische Infektion in den ersten Tagen nicht nachweisen. Es bleibt also in minimales Restrisiko, das durch Fragen zum konkreten Sexualverhalten beinahe eliminiert werden kann.

Dass Schwulen, Prostituierten und Häftlingen weiterhin Blutspenden generell untersagt werden, ist verlogen. Italien, Spanien und Tschechien sind schon längst vom generellen Verbot abgerückt, hin zu einem zeitlich befristeten Ausschluss. Selbst die USA haben ihre Ausschlusskriterien gelockert. In Deutschland blockiert die Bundesärztekammer die noch immer.

Vielleicht zwingt Europa sie bald zum Umdenken. Ein Gutachter des Europäischen Gerichtshofs hat im Sommer 2014 das Blutspendeverbot für bi- und homosexuelle Männer als unzulässig kritisiert. Ein Urteil soll demnächst folgen. Dann könnte die Diskriminierung auch in Deutschland enden. Die Bundesärztekammer wird dazu sicherlich ebenfalls keine Jubel-Pressemitteilungen verschicken.

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