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Kommentar Geschichtsstreit im KosovoOpfer zu Tätern gemacht

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Selbst der Genozid in Srebrenica wird von Serben immer wieder angezweifelt. Das macht den interethnischen Dialog im Konsovo zunichte.

Samstag in Pristina: Demonstranten fordern den Rücktritt von Aleksandar Jablanovic, dem Vertreter der serbischen Minderheit. Bild: reuters

D ie Hinterbliebenen der während der Zeit des serbischen Terrors in der westkosovarischen Stadt Gjakova ermordeten Menschen als „Bestien“ zu bezeichnen, ist ein starkes Stück. Zumal Aleksandar Jablanovic als Mitglied der serbischen Minderheit Minister in der Regierung Kosovos ist. Die Leugnung des Terrors von 1998/99 hat jetzt die Fortschritte bei den interethnischen Beziehungen im Kosovo zunichtegemacht.

Sie wirft aber vor allem ein Schlaglicht auf das Bewusstsein vieler Serben gegenüber den im serbischen Namen begangenen Verbrechen während der Zeit der Jugoslawien-Kriege der 90er Jahre. Die Menschenrechtlerin Sonja Biserko und andere serbische Intellektuelle beklagen seit Jahren die Unwilligkeit der serbischen Öffentlichkeit, sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen.

Sie kritisieren zu Recht die Verschleierungstaktik der herrschenden Politiker und der Medien, für die vor allem Serben Opfer der Kriege von damals waren. Weder wird die serbische Kriegsschuld in Kroatien oder Bosnien noch gar im Kosovo zugegeben.

Selbst so offenkundige Verbrechen wie der Genozid in Srebrenica werden immer wieder angezweifelt. Der Aufbau von Konzentrationslagern zu Beginn des Krieges in Bosnien und Herzegowina wird gänzlich geleugnet oder als Hirngespinst ausländischer Journalisten dargestellt. Abstruse Theorien über die geschichtliche Entwicklung sollen der breiten Öffentlichkeit Serbiens suggerieren, dass die Schuld nur die anderen haben.

Die Spitze der Perfidie ist jedoch, aus den Opfern Täter zu machen. So mutieren Überlebende der serbischen KZs in Bosnien plötzlich zu „Terroristen“. Minister Jablanovics „Bestien“ für die Mütter von Gjakova passen da in das allgemeine Bild, auch sein Satz, er wisse nichts über den serbischen Terror im Kosovo.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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6 Kommentare

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  • "Selbst Joseph Goebbels notierte am 7. März 1945 in sein Tagebuch; „Tito ist der lachende Dritte“;, die Schuld daran gab er dem „Terror-Regime der Ustaschen, das jeder Beschreibung spottet“; und in Sachen Terror kannte sich Hitlers Chefpropagandist aus. Obwohl er selber mit seinem “Führer“; am Ende war, verhöhnte er den „Poglavnik“ Pavelić als eine armselige Figur „."

    http://www.zeit.de/1992/14/gottesstaat-im-teufelskreis/seite-6Am 22. April 1945 fand ein Ausbruchsversuch statt, der jedoch scheiterte. Von den letzten noch lebenden ca. 1050 Gefangenen, entkamen lediglich etwa 80 Personen in einen angrenzenden Wald. Das KZ wurde am 5. Mai 1945 von jugoslawischen Partisanen (Serben, Montenegriner, Kroaten,..) befreit und aufgelöst" es war bereits zerstört, alle Unterlagen und alle Gebäude bis auf Teile der drei bis fünf Meter hohen und 3,5 km langen Mauer waren vernichtet.

    http://de.wikipedia.org/wiki/KZ_Jasenovac

  • Es sind tatsächlich schreckliche Verbrechen von manchen Serben in letzten Balkankonflikten verübt worden. Vor allem in Srebrenica. Es sind auch schreckliche Kriegsverbrechen gegen die Serben verübt worden, vor allem in Bosnien, Sarajewo und Kroatien während der Operation Oluja. Der Befehl des kroatischen Führers, Franjo Tudjman, die Serben so lange zu bombardieren bis sie nicht verschwinden, reichte dem Hager Tribunal nicht aus, die verantwortlichen Generäle zu verurteilen, die diese und andere nachgewiesene Befehle ausführten. Deswegen kann die Frage über Opfer und Täter nicht schwarz-weiß beantwortet werden. Frau Biserko leistet eine wichtige Arbeit. Schade, daß es solche Frauen in Kroatien und moslemisch-kroatischen Teil Bosniens nicht gibt. Ob man in Bosnien von Konzentrationslager reden kann oder doch um eine elende Verherrlichung (sollte eigentlich berboten sein) des Begriffes, sollte man die Überlebenden der richtigen Konzentrationslager fragen? Das Wissen über die die kroatischen Konzentrationslager, vor allem Jasenovac und Jadovno, kann dabei sehr hilfreich sein. Es sind die Lager in welchen 650.000 Serben, Juden, Zigeuner und kroatischen Antifaschisten so bestialisch behandelt und umgebracht wurden, daß selbst die für Kroatien zuständigen SS- und Wehrmachtsoffiziere das mit Abscheu als unglaublich brutal und unmenschlich bezeichneten und nach Berlin berichteten.

  • Dem Kommentar von Herrn Rathfelder fehlt der Kontext, ohne den eigentlich kein Urteil über die Äußerungen von besagtem Minister gefällt werden kann. Wie war der genaue Wortlaut? Wann hat er dies gesagt, zu wem, wo und warum? Dies wären einige Fragen, die hier leider offen bleiben. Eigentlich sollte die Kommentarfunktion für solch einen Beitrag deaktiviert werden, da ohne Fakten oft nur Verallgemeinerungen und Feindbilder ausgetauscht werden. Was hier z.T. auch schon passiert: es wird zum einen pauschal von "manipulierter Geschichte" geredet und zum anderen werden Kommentare mit "die Serben" (inklusive "die Türken") begonnen, was bekanntlich schon immer ein guter Start in eine objektive Betrachtung war. Die eigene Recherche z.B. bei BalkanInsight.com zeigt schnell, dass von bestimmten Kräften der ohnehin schon mehr als "unglückliche" Vorgang instrumentalisiert wird, um die eigene Agenda voranzutreiben, dadurch wird deutlich, dass dies kein gutes Beispiel ist um beim Thema Vergangenheitsbewältigung mit dem Finger auf eine Seite zu zeigen. Wenn 14 Tage nach der (zurecht) kritisierten Äußerung Unruhen „ausbrechen“, dann zeigt dies, dass hier das Krisenmanagement der kosovarischen Regierung versagt hat und einige Akteure das Ganze als Katalysator zur Klärung von innenpolitischen Rivalitäten nutzen wollen. Vor allem die Bewegung/Partei Vetevendosje tut sich hier hervor, aber über die wird man von Herrn Rathfelder selten etwas Negatives zu hören bekommen, was den Eindruck entstehen lässt, dass es guten und schlechten Nationalismus auf dem Balkan gibt, wo doch klar sein sollte, dass diese Unterscheidung nichts zu einer dauerhaften Befriedung der Region beitragen kann.

  • Zu Srebrenica:

    http://schattenblick.net/infopool/geist/meinung/gmeid-88.html

     

    Ja, die Geschichtsschreibung wird manipuliert – und dieser Artikel leistet seinen Beitrag dazu.

    • @ko99421:

      Richtig, der Artikel auf Schattenblick leistet tatsächlich einen Beitrag zur Manipulation der Geschichtsschreibung.

  • Die Serben nehmen sich ein Beispiel an den Türken und nicht an den Deutschen. In Deutschland wird heute intensiv an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedacht (70 Jahre her). Im April 2015 werden wir ja sehen wie in der Türkei des 100. Jahrestages des Beginns des Völkermords an den Armeniern gedacht werden wird ...