"Es geht ganz hart um die Macht"

■ Rita Süssmuth, Bundesvorsitzende der Frauen-Union und Bundestagspräsidentin, über Frauen in der Politik, das Frauenquorum der CDU und das jüngste Quotenurteil des Europäischen Gerichtshofes

taz: Der Europäische Gerichtshof hat die Frauenquote in NRW für rechtens erklärt. Was erhoffen Sie sich davon?

Rita Süssmuth: Die Entscheidung ist ein Signal für die weitere Arbeit in der Gleichstellungspolitik. Ich bin eine Verfechterin sowohl der Gleichstellungsbeauftragten wie auch der Frauenförderungsgesetze, weil ich immer wieder feststelle, daß wir ohne aktive Maßnahmen auf eindeutiger Rechtsgrundlage zu langsam vorankommen.

Bislang gibt es entsprechende Frauenfördergesetze fast nur in Bundesländern, die von der SPD regiert werden. Hat Ihre Partei da Nachholbedarf?

Ich bin zuversichtlich, daß Frauenfördergesetze auch in weiteren Bundesländern kommen werden.

Zu Ihrer Partei. Ein Jahr nach dem Quorumbeschluß des CDU- Parteitages gibt es in der Bundesgeschäftsstelle der Partei keine Frau, die eine Hauptabteilung leitet. Im Bundestag wird nach wie vor kein einziger Ausschuß und keine einzige Arbeitsgruppe von einer Frau geleitet. War das Ja zur Quote nur ein Lippenbekenntnis?

Wir haben inzwischen 29 Prozent Frauen im Präsidium, im Bundesvorstand sogar mehr. Auch bei den Delegierten auf dem Parteitag haben wir das Drittel erreicht. Das ist schon ein Fortschritt. Wir sehen aber ebenso, daß wir überall auch heute noch Nachholbedarf haben.

Es sieht so aus, als sei die Union für Frauen nicht attraktiver geworden. Im Osten nimmt der Anteil der Frauen unter den CDU- Mitgliedern dramatisch ab. Woran liegt das?

Das liegt zum einen daran, daß sich Frauen in weitaus höherem Maße als Männer aus der Parteiarbeit zurückgezogen haben. Auch eine Partei wie die SPD hat in dieser Hinsicht in den neuen Ländern riesige Probleme. Ich stelle fest, daß sich Frauen dort nach 1989 in bezug auf Parteizugehörigkeit ähnlich verhielten wie die Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wollten sich nicht erneut durch eine Partei vereinnahmen lassen. Außerdem ist die weitverbreitete Vorstellung falsch, Frauen, die von Erwerbslosigkeit betroffen seien, seien verstärkt bereit, sich im vorpolitischen und politischen Raum zu engagieren. Im Gegenteil: Wenn ihnen nicht auch eine Erwerbsperspektive angeboten wird, dann lassen sich Frauen auch nicht auf den öffentlichen Bereich ein.

Die Union hat aber nicht nur im Osten Probleme. Ihr Frauenanteil liegt seit 1994 im gesamten Bundesgebiet konstant bei weniger als 25 Prozent. Warum?

Wir haben nach der Durchsetzung des Quorums verstärkt Frauen als Mitglieder geworben. Das ist eine harte Langzeitarbeit. Es ist keine Zeit des großen Zustroms in die Parteien. Angesichts der bestehenden Probleme wird Parteiarbeit begleitet von scharfer Kritik an den politisch Handelnden.

Bedeutet der geringe Mitgliederanteil von Frauen in der CDU mit Blick auf das Quorum nicht auch, daß zwangsläufig wenig qualifizierte Frauen in Ämter gewählt werden müssen, nur damit die Quote stimmt?

Es fehlt nicht an Frauen, die sich um politische Ämter bewerben. Immer wurde gesagt: Ihr habt keine Frauen, sie wollen es nicht, sie scheuen Konkurrenzkämpfe. Seit Einführung des Quorums gibt es viel mehr Frauen, die sich bewerben. Wenn alle Frauen zum Zuge gekommen wären, die sich jetzt zum Beispiel in Niedersachsen um Direktmandate für den Bundestag beworben haben, dann hätten wir keine Probleme, das Drittel zu erfüllen.

Ist der Umkehrschluß, es wird in Niedersachsen nicht erfüllt?

Ja, es wird nicht erreicht. In mehreren Wahlkreisen sind die Frauen, die kandidiert haben, nicht gewählt worden.

Gibt das nicht den Kritikern recht, die befürchtet hatten, dem CDU-Quotenbeschluß fehle es an Durchsetzungskraft, weil er eben nur eine Soll-Bestimmung, nicht aber zwingend vorgeschrieben ist?

Eine Wahl ist eine Wahl, und niemandem kann vorgeschrieben werden, wen er wählt. Im Blick auf das Quorum stoßen sie damit an Grenzen. Mit dem Beschluß wird ein Ziel und ein bestimmtes Verfahren vorgegeben, aber das beschlossene Verfahren führt nicht zwingend zum gesetzten Ziel. Darin liegt die Schwäche unseres Beschlusses. Es steht außer Frage, daß das, was wir auf dem Parteitag beschlossen haben, ein Kompromiß war. Und trotzdem gibt es Wirkungen, die wir vorher nicht hatten. Nie zuvor hat bei der Aufstellung von Kandidaten in Wahlkreisen das Frauenthema solche Bedeutung gehabt wie jetzt. Nie zuvor hat es so viele Männer gegeben, die sich für Frauen stark gemacht haben. Ich schließe mancherorts allerdings auch Trotz nicht aus, nach dem Motto: Weil wir das Quorum haben, werden wir es euch jetzt erst recht zeigen.

Aber reicht es, eine Quote zu beschließen? Müssen nicht begleitende Maßnahmen wie Schulungen und Qualifikationen folgen?

Das alles geschieht ja. Es gibt über die politischen Stiftungen, die Landeszentralen für politische Bildung und die Volkshochschulen viele Angebote. Ich bin es auch leid, ständig den Frauen zu sagen, sie müßten qualifiziert werden. Sie sind gut ausgebildet und können sich präsentieren. Das ist gar nicht das Problem. Sie brauchen keine Rednerschulen. Es geht ganz hart um Konkurrenz und Macht. Darauf muß sich unsere Strategie richten. Interview: Bettina Gaus