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„Die Unzufriedenheit ist jetzt groß genug“

■ StudentInnen wollen per Volksbegehren das Abgeordnetenhaus auflösen. 5.000 Unterschriften haben sie schon. Der TU-Student und Mitorganisator Jens Hubald hofft auf ein breites Bündnis

taz: Vor vier Jahren ist ein studentisches Volksbegehren zur Auflösung des Abgeordnetenhauses gescheitert. Warum glaubt ihr, daß es diesmal klappt?

Jens Hubald: Die Arbeitslosenzahlen sind inzwischen auf fünf Millionen hochgeschnellt. Hinzu kommen Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich. Die Unzufriedenheit der Bürger ist daher jetzt groß genug. Wir haben schon Verbindungen mit Arbeitslosenverbänden, Schülerinitiativen, Gewerkschaften und Oppositionsparteien aufgenommen. Wir wollen eine möglichst breite Front des Widerstands aufbauen.

Wieviel Zeit habt ihr?

Wir sammeln schon seit einem Monat, also hätten wir vom Gesetz her noch fünf Monate Zeit. Wenn wir's bis Ende März schaffen, dann kann die vorgezogene Wahl zusammen mit der Bundestagswahl stattfinden. Wenn nicht, wollen wir auf jeden jeden Fall weitermachen, bis 50.000 Unterschriften beisammen sind.

Bis jetzt habt ihr 5.000 Unterschriften. Ist es realistisch, während der Semesterferien weitere 45.000 zu sammeln?

Nach dem Zusammenbruch des Streiks sind sowieso nur noch die wirklichen Aktivisten dabei. Die werden natürlich auch in den Semesterferien weitermachen. Die Stimmen von den Studenten, die wir kriegen können, die haben wir entweder jetzt schon geholt, oder die Leute wollen einfach nicht dafür stimmen. Jetzt liegt die Arbeit bei Bürgerinitiativen und Parteien.

Glaubt ihr, daß Neuwahlen auch neue Mehrheiten brächten?

Eigentlich schon. Selbst wenn keine neuen Mehrheiten zustande kommen, würden wir der Koalition zeigen, daß die Bürger unzufrieden sind, und sie vielleicht dazu bringen, ihre Politik abzuändern, um dem Wähler entgegenzukommen.

Die Haushaltslage des Landes würde sich selbst durch neue Mehrheiten nicht verändern.

Die Große Koalition hat in den vergangenen Jahren viel Geld bei unsinnigen Prestigeprojekten rausgeworfen. Sie hat das Tafelsilber verkauft, was auch ziemlich kurzsichtig ist. Deshalb hoffen wir, daß neue Parteien ein anderes Konzept bringen. Es sollen natürlich keine neuen Steuern erhoben werden. Durch Umlegen von Geldern, die an andereren Stellen verschwendet werden, sollen Bildung und Soziales gefördert werden.

Selbst wenn die Bildung nicht mehr Geld abbekommt: Das ist ja nicht unser Hauptinteresse. Es wäre ja auch schon eine Neuerung, wenn wir als Studenten an den Universitäten mehr Mitspracherechte hätten. Sie dürfen nicht denken, daß es nur um Geld geht.

Wie geht es weiter, wenn ihr den Zulassungsantrag mit 50.000 Unterschriften eingereicht habt?

Der zweite Schritt ist dann das Volksbegehren. Dafür müssen sich 20 Prozent der Wahlberechtigten in Listen eintragen, das sind ungefähr 500.000. Der dritte Schritt ist dann der eigentliche Volksentscheid, an dem 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen müssen. Wir hoffen aber, daß sich das Abgeordnetenhaus schon aufgrund des Volksbegehrens auflöst, ohne daß es zum Volksentscheid kommt. Das ist zum Beispiel schon 1981 passiert. Interview: Ralph Bollmann

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