■ Querspalte: Verlierer: Kohl trifft Berti
Bei der Fußball-WM in Argentinien bestand das Team des DFB hauptsächlich aus Langweilern und aus Kickern, die ihre beste Zeit 1978 schon hinter sich hatten. Allein insofern war es gerecht, daß die Adlertrikotträger nach der Zwischenrundenniederlage gegen Österreich frühzeitig nach Hause fliegen mußten. Hochverdient war das Ausscheiden aber auch aus politischen Gründen. Schließlich hatte es die Elf, wie es der nunmehrige Teilzeitjournalist Hansi Müller stellvertretend formulierte, nicht so „eng“ gesehen, im faschistischen Argentinien Leibesübungen zu machen. Und im Mannschaftsquartier, das von der GSG 9 bewacht wurde und deshalb „die Aufgabe eines richtigen Erholungsheimes erfüllte“ (Karl-Heinz Rummenigge), war während des Turniers der Altnazi Hans-Ulrich Rudel zu Gast.
Bei der Fußball-WM in Frankreich besteht die Mannschaft des DFB hauptsächlich aus Langweilern und aus Kickern, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben. Allein insofern wäre es gerecht, wenn die Adlertrikotträger nach dem Achtelfinale nach Hause fliegen müssen. Ansonsten ist durchaus ein Fortschritt festzustellen gegenüber 1978: Rudel ist beim Führer, und Gerhard Freys Terminkalender ist voll.
Ein bißchen Politik muß dennoch sein im Lager. Heute kreuzt Helmut Kohl dort auf, um die Spieler von der Arbeit abzuhalten und ein bißchen zu feiern. Anlaß für die Party: Seine erste Wahl zum CDU-Bundesvorsitzenden jährt sich zum 25. Mal. Dabei müßte Kohl eigentlich daran gelegen sein, nicht mehr mit der Kickerei in Verbindung gebracht zu werden, nachdem Friedbert Pflüger 1997 festgestellt hatte, des Kanzlers fußballerisches Äquivalent sei ausgerechnet Uwe Seeler. Und der mußte ja im Frühjahr vom Amt des HSV-Chefs zurücktreten, um sich ein letztes Quentchen Würde zu bewahren. Hoffentlich erfahren wir wenigstens, ob es unter den WM-Kickern einen gibt, der Kohl nicht oder nur widerwillig gratuliert. Dieser Spieler darf dann im Achtelfinale gern das Ehrentor schießen. René Martens
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