: „Geschlossene Heime sind keine Lösung“
■ Der Geschäftsführer der Treberhilfe, Harald Ehlert, ist für eine Rückführung der Klaukinder
taz: Wäre die Unterbringung von rumänischen Klaukindern in geschlossenen Heimen eine Lösung?
Harald Ehlert:Nein. Die Klaukinder aus Osteuropa sind Opfer des Kinderhandels. Das Ergebnis ist Diebstahl, Kinderprostitution und Produktion von Kinderpornographie. Wir müssen uns diesen Opfern zuwenden.
Was sollte mit den Kindern geschehen?
Die schon abgeschlossenen Rückführungsabkommen zwischen der Senatsjugendverwaltung und der rumänischen Regierung sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir die Kinder hier geschlossen unterbringen, administrieren wir das Problem, lösen es aber nicht. Die Ursachen liegen im Heimatland. Die Kinder müssen zurück in den Zusammenhang, aus dem sie kommen. Dort müssen die Probleme gelöst werden.
Sollte man nicht versuchen, die Kinder in Deutschland zu integrieren?
Die Kinder sind nicht freiwillig hergekommen, um hier zu leben. Sie sind hier, weil ihre Familien in der Regel Geld für sie bekommen haben. Sie haben meistens keinerlei Sprachkenntnisse. Wir würden ihnen eine Integration überstülpen. Das Ganze ist mehr ein ökonomisches Problem für die Kinder als eine Frage der selbstbestimmten Identitätssuche. Sie werden dem Geld hinterhergeschickt. Sie sind eine Ware, die verkauft wird.
Werden die Kinder nach einer Rückführung nicht versuchen, nach Deutschland zurückzukehren? Sie müssen sich doch vor den Banden verstecken, wenn sie gegen ihre Bosse ausgesagt haben.
Das Problem ist nur dann in den Griff zu bekommen, indem der Aufbau der Jugendhillfe und die Strafverfolgung der Schlepperbanden in Rumänien verstärkt wird. Das ist eine Grundvoraussetzung. Nur wenn dieses System greift, geht das Problem in Richtung einer Lösung. Andernfalls können wir hier massenweise geschlossene Unterbringungen aufmachen, weil die Schlepper immer wieder neue Kinder nachholen werden. Erst brauchen wir 20, dann 40 und dann 60 Heimplätze. Die Schlepperbanden verdienen ihr Geld, und wir sperren die Kinder ein. Das kann es ja nicht sein.
Die Kripo fordert auch deshalb ein geschlossenes Heim, da ihr sonst die Zeugen gegen die Hintermänner immer wieder weglaufen.
Man könnte die Kinder kurzfristig in Sicherungsverwahrung nehmen, bis die Beweismittel zur Festnahme der Drahtzieher gesichert sind. Das ist eine Überlegung wert, wie man diese Möglichkeit gesetzlich ermöglicht. Aber das ist etwas völlig anderes als eine geschlossene Heimunterbringung. Plutonia Plarre
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