: Kioskbesitzerin belastet Polizei
Über den gewaltsamen Tod des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams im Jahre 1993 wird jetzt erneut verhandelt. Seine Eltern wollen Beerdigungskosten einklagen ■ Aus Schwerin Patrik Schwarz
Zum Auftakt der ersten Gerichtsverhandlung um den gewaltsamen Tod des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams vor fünf Jahren haben die Kläger schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden erhoben. Der Anwalt der Eltern von Grams, der 1993 während eines Polizeieinsatzes am Bahnhof von Bad Kleinen ums Leben kam, bezichtigte das Bundeskriminalamt (BKA) „bewußter Vertuschungen“. So hätten BKA- Beamte Spuren an der Leiche von Grams beseitigt, um zu kaschieren, daß ein Angehöriger der Eliteeinheit GSG9 den bereits schwer verletzten Mann mit einem Kopfschuß aus nächster Nähe tötete. „Wenn Spurensicherungsexperten des BKA die Kopfwunde auswaschen, dann ist das kein Dilettantismus“, sagte Rechtsanwalt Andreas Groß am Donnerstag in Schwerin.
Ein abschließender Untersuchungsbericht der Bundesregierung hatte zwar zahlreiche Pannen im Umgang mit Beweismaterial eingeräumt, aber Grams' Tod mit Selbstmord erklärt.
Die Anwälte der Familie sehen sich in ihrer Mordthese durch zwei Augenzeugen bestätigt, die gestern in Schwerin aussagten. Ein BKA-Beamter wiederholte seine früher gegenüber Ermittlern gemachte Erklärung, wonach Grams in einem höchstens 15 Sekunden dauernden, „fast geschlossenen Handlungsablauf“ von Polizisten überwältigt worden sein soll. Die Klägerseite sieht darin ein Indiz, daß das RAF-Mitglied keine Zeit hatte, sich selbst die Waffe an die Schläfe zu setzen. „Es ist nicht vorstellbar, daß ein Loch in den Kopf von Herrn Grams gekommen ist, ohne daß es die GSG-9-Beamten gesehen hätten“, interpretierte Groß die Zeugenaussage.
Allerdings bestreitet der BKA- Beamte, noch Schüsse gehört zu haben, nachdem Grams überwältigt worden war. Um diesen Punkt seiner Aussage zu entkräften, verweisen die Rechtsvertreter der Familie Grams auf Joanna Baron, die als Kioskbesitzerin am Bahnhof von Bad Kleinen den Zugriff der Polizei miterlebte. Sie wiederholte gestern ihre Angaben, wonach sie Schüsse gehört haben will, als Grams bereits überwältigt auf den Gleisen lag. Allerdings widersprach die überfordert wirkende 49jährige in Teilaspekten ihrer eigenen Schilderung.
Nachdem die Anwälte der Familie über Jahre hinweg vergeblich versucht hatten, gegen Beamte der GSG9 ein Strafverfahren anzustrengen, wählten sie jetzt den Weg einer Zivilklage. Darin fordern sie von der Bundesrepublik Deutschland die Erstattung der Beerdigungskosten. „Die Eltern sehen es als Erfolg an, daß es heute dieses Verfahren gibt“, erklärte ihr Anwalt Groß gestern.
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