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Sterbehilfe-Debatte nur unter ÄrztInnen

■ Bundesärztekammer will ihre geplante Sterbehilfe-Richtlinie ohne Beteiligung der Öffentlichkeit im Vorstand ausarbeiten. Justizminister prüft, ob Bundesgesetze zu ändern sind

Frankfurt/Main (taz) – Gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wirklich eine „Lücke“, die den tödlichen Abbruch einer medizinischen Behandlung bei bewußtlosen PatientInnen erlaubt, sofern sie damit „mutmaßlich einverstanden“ sind? Bejaht hatte diese umstrittene Frage Mitte Juli der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes (OLG) Frankfurt am Main. Und mit diesem Beschluß viel Aufsehen erregt sowie den beiden Vorinstanzen widersprochen. Nach Meinung des OLG darf eine Betreuerin einer bewußtlosen Person beantragen, daß ÄrztInnen ihre Ernährung via Magensonde stoppen und sie so verhungern lassen; dieses Begehren müsse durch ein Vormundschaftsgericht genehmigt werden. Dazu wird es im konkreten Fall einer 85jährigen Komapatientin allerdings nicht kommen: Die Tochter und Betreuerin hat ihren „Sterbehilfe“-Antrag überraschend zurückgezogen.

Klärung im Auslegungsstreit der Gerichte erwartete der Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe (CDU) von Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), der wie das Parlament dafür zuständig ist, Gesetze möglichst unmißverständlich zu formulieren. Geantwortet hat am Mittwoch Schmidt-Jortzigs Staatssekretär Rainer Funke. Die OLG-Entscheidung, so Funke, werfe „tiefgreifende juristisch-ethische Fragen“ auf, die einer „gründlichen Aufarbeitung bedürfen“.

Diese Antwort reicht dem CDU-Abgeordneten Hüppe nicht, zumal der OLG-Beschluß „keineswegs nur Komapatienten im höchsten Greisenalter“ betreffe. Sollten weitere Gerichte der Interpretation des Frankfurter OLG folgen, könnte das Leben auch anderer PatientInnen, die sich nicht äußern können, von Mutmaßungen ihrer BetreuerInnen abhängen; betroffen wären etwa Demenzkranke in Pflegeeinrichtungen oder Menschen, die nach Verkehrs- oder Sportunfällen ins Koma gefallen sind. „Die Regelungslücke zu füllen“, fordert Hüppe, „ist Aufgabe des Gesetzgebers im demokratischen Rechtsstaat.“ Falls Parlament und Regierung weiterhin abwarten, befürchtet Hüppe folgendes Szenario: „daß wir ärztliche Richtlinien, eine gefestigte Rechtsprechung und eine eingeübte Praxis des Nahrungsentzugs mit Todesfolge bei betreuten Patienten bekommen“.

Diese Prognose wird genährt durch Aktivitäten des Vorstands der Bundesärztekammer (BÄK). Der will im Herbst eine „Richtlinie zur ärztlichen Sterbebegleitung und den Grenzen zumutbarer Behandlung“ beschließen. Sein Entwurf, den ein BÄK-Ausschuß derzeit hinter verschlossenen Türen diskutiert, stimmt inhaltlich mit dem Frankfurter OLG-Beschluß überein. Zwar hatte der Vorsitzende des Gremiums, der Jenaer Medizinprofessor Eggert Beleites, wiederholt Öffentlichkeitsbeteiligung versprochen. Doch inzwischen ist er anderer Meinung. In einem Brief an den Ärzteverband Hartmannbund schrieb Beleites Ende Juli, eine Vorabveröffentlichung sei „nicht angebracht“, bevor der BÄK-Vorstand die Richtlinie endgültig beschlossen und damit für die Ärzteschaft verbindlich gemacht habe. Dagegen empfiehlt Hartmannbund-Vorsitzender Hans-Jürgen Thomas, den geplanten Text „einem breiten Publikum bekanntzugeben, zu erläutern und Einwände und Ängste auszuräumen“. Klaus-Peter Görlitzer

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