: Kein Geld für Förderstunden
■ Schulsenatorin will keine zusätzlichen Mittel für Förderunterricht ausgeben, obwohl eine Untersuchung im Wedding mangelhafte Sprachkenntnisse bei Grundschülern festgestellt hat
Die Sprachkenntnisse von ErstkläßlerInnen sollen künftig nicht nur im Wedding gemessen werden. „Wir überlegen, die Erhebungen auf andere Bezirke auszuweiten“, sagte gestern Almuth Draeger, Sprecherin von Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Die erste bezirksweite Sprachstandsmessung bei 1.594 Weddinger Schulanfängern hatte ergeben, daß rund die Hälfte von ihnen zusätzlichen Förderunterricht benötigt. „Dieses Ergebnis erfreut uns natürlich nicht“, sagte Draeger. Man habe jetzt aber Informationen, „wie die Situation aussehe, und wer welche Art von Förderung brauche“.
Zusätzliche Fördermittel wird es in diesem Schuljahr jedoch nicht mehr geben. „Wir würden gern, aber uns sind aufgrund der finanziellen Situation die Hände gebunden“, sagte Draeger. Die Familienmitglieder müßten außerdem stärker dafür sorgen, daß den Kinder Deutsch beigebracht werde.
Gestern wurde Kritik an dem Weddinger Verfahren laut: „Diese Form der Sprachstandsmessung ist nicht ausreichend“, sagte Sanem Kleff, Mitarbeiterin bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Es müsse ein „sehr individuelles Bild“ jedes Kindes erstellt werden. Sie forderte mehr Mittel für Fördermaßnahmen, sonst seien die Erhebungen überflüssig. Derzeit ist nur für 30 Prozent aller Kinder mit einer nichtdeutschen Herkunftssprache Förderunterricht vorgesehen. „Wedding hat gezeigt, daß wir wesentlich mehr brauchen.“
Auch Jürgen Buss, Schulleiter der Weddinger Richard-Schirrmann-Grundschule, kritisierte, daß die Messungen zu einseitig seien. „Es werden zu wenig kommunikative Situationen geprüft.“ Die Kinder bekommen Bilder vorgelegt, auf denen sie einfache Gegenstände erkennen und benennen müssen. Rund 100 Wörter werden aktiv und passiv geprüft. Der Schulleiter bemängelte ebenfalls, daß es zu wenig Förderunterricht gebe. „Wir haben im Wedding zwar acht zusätzliche Stellen bekommen, die werden aber alle dadurch aufgefressen, daß so viele Lehrer dauerkrank sind“, sagte er. Förderunterricht gebe es deswegen nur wenig. Buss, der selbst Messungen an seiner Schule durchgeführt hat, hat dennoch gute Erfahrungen gemacht. „Den meisten Kindern hat der Test Spaß gemacht, und sie fühlten sich nicht unter Druck gesetzt.“ Der Kontakt zu den SchülerInnen habe sich seitdem intensiviert. Kleff kritisierte dagegen die Erhebungsmethode: „Es handelt sich nur um eine Momentaufnahme.“ Der psychologische Druck sei sehr groß.
Die Messung, die bereits 1978 von einem Düsseldorfer Institut entwickelt wurde, wird derzeit erneut überarbeitet. „Wir wollen zukünftig nicht mehr mit so vielen einzelnen Substantiven arbeiten, sondern die Kinder ganze Sätze sprechen lassen“, sagte Andreas Pochert, Koordinator der Sprachstandsmessung im Wedding. Das Berliner Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (BIL) soll zusätzlich prüfen, welche Messverfahren es außerdem in Berlin gebe. Hier sei man bereits mit dem Bezirk Kreuzberg im Gespräch, sagte Dagmar von Loh von der Senatsschulverwaltung. Bereits jetzt wird jedes Kind vor Schulbeginn von einem Schularzt auf die Schulreife überprüft. Auch hier wird die Sprachfähigkeit gemessen. Julia Naumann
Bericht Seite 20
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