: Neuer Prozeß für Havemann-Richter
■ Bundesgerichtshof hebt Freispruch für DDR-Juristen auf, die in den siebziger Jahren den Regimekritiker Havemann in einem Stasi-gelenkten Prozeß verurteilten
Berlin (dpa/taz) – Die DDR-Richter, die den Regimekritiker Robert Havemann Ende der 70er Jahre mit Hausarrest und Geldstrafen belegten, müssen nun selbst wieder vor Gericht. Der Bundesgerichtshof in Leipzig hat gestern ein Urteil aufgehoben, das die vier ranghohen Richter und Staatsanwälte der DDR vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen hatte. Die DDR-Juristen hatten Havemann, so lautete der Vorwurf, nach der Regie des Ministeriums für Staatssicherheit verurteilt, das den Chemiker und Marxisten Havemann mundtot machen wollte. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hatte eine Verquickung von DDR-Justiz und Stasi aber nicht erkennen können.
Bei den beiden DDR-Prozessen gegen Havemann habe es sich nur um „Scheinjustiz“ gehandelt, sagte der Vorsitzende Richter Heinrich Laufhütte. Sie hätten nicht der Verwirklichung von Gerechtigkeit, sondern der Ausschaltung des politischen Gegners gedient. Dies erfülle den objektiven Tatbestand der Rechtsbeugung. Die Richter in Frankfurt (Oder) hätten bei ihren Freisprüchen die Frage, ob die vier DDR-Juristen die drehbuchartigen Vorgaben der Staatssicherheit für die Prozesse bewußt und gewollt umgesetzt hätten, mit falschen Maßstäben bewertet. Daher sei ein neuer Prozeß notwendig.
Der BGH hat das Verfahren nun den Richtern in Frankfurt (Oder) entzogen und den Fall an das Landgericht Neuruppin verwiesen. Der Freispruch für die insgesamt sieben DDR-Juristen, die an der Bestrafung Havemanns beteiligt waren, hatte im Oktober letzten Jahres Empörung unter DDR-Bürgerrechtlern hervorgerufen. „Es gab offenbar keine Täter“, sagte die Witwe Katja Havemann: „Das kann ich schwer verkraften.“ Auch Wolf Biermann, für den sich Havemann 1976 in einem offenen Brief stark gemacht hatte, bezeichnete das Urteil als „Signal der dumpfen Feigheit gegenüber unserer Vergangenheit“.
Die der Rechtsbeugung angeklagten DDR-Juristen hatten 1976/77 und 1979 an zwei Prozessen gegen Havemann mitgewirkt. Darin war der 1982 im Alter von 72 Jahren gestorbene Havemann für drei Jahre unter Hausarrest gestellt und zu einer Geldstrafe von 10.000 Mark verurteilt worden. cif
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