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Auf Berlin kommt in fünf Jahren ein neues Finanzloch zu

■ Nach dem Karlsruher Urteil muss das Land mit Einbußen beim Länderfinanzausgleich rechnen. Auf die bisherigen acht Milliarden Mark kann Berlin nicht mehr zählen

Das Land Berlin muss sich darauf einstellen, dass ab 2005 weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich fließt. Nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ließ sich gestern aber noch nicht abschätzen, in welcher Größenordnung Berlin als größtes Nehmerland betroffen sein wird. 1998 erhielt Berlin insgesamt 8,4 Milliarden Mark aus dem Länderfinanzausgleich. Das entspricht einem Fünftel des gesamten Landeshaushaltes.

Wie die Umverteilung zwischen den 16 Bundesländern neu austariert wird, wird in den nächsten Jahren politisch entschieden. Zu Schätzungen, wie hoch die Berliner Einbußen ausfallen könnten, waren die finanzpolitischen Sprecher der Parteien gestern nicht zu bewegen.

„Die Folgen für Berlin sind am schwersten einzuschätzen“, sagte der grüne Haushaltsexperte Burkhard Müller-Schoenau. Denn Berlin ist als Stadtstaat und als Teil Ostdeutschlands doppelt von einer Neuregelung betroffen. Das Stadtstaatenprivileg hat das Bundesverfassungsgericht zwar nicht angetastet, künftig muss aber begründet werden, warum die Stadtstaaten einen um ein Drittel höheren Finanzbedarf veranschlagen dürfen als Flächenstaaten. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die an der Verhandlung in Karlsruhe teilnahm, zeigte sich gestern optimistisch, dass Berlin dies hinreichend begründen könne. Das Argument der Klageländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, dass der Finanzausgleich den strukturschwachen Ländern keinen Anreiz zu eigenen Anstrengungen gebe, habe das Beispiel Berlins widerlegt. Berlin sei es als größtem Nehmerland gelungen, sein Haushaltsdefizit abzubauen. Der Sparkurs müsse jedoch „konsequent fortgesetzt“ werden, sagte Fugmann-Heesing.

Dafür sprach sich gestern sogar die Opposition aus. „Berlin wird auf die Solidarität der anderen Bundesländer auch in Zukunft nur rechnen können, wenn es weiterhin eigene Anstrengungen zur Konsolidierung der Finanzen unternimmt“, erklärte PDS-Fraktionschef Harald Wolf. Der grüne Abgeordnete Müller-Schoenau wertete das Urteil als „deutliche Aufforderung an die Nehmerländer, mehr als bisher zur Sanierung der eigenen Finanzen beizutragen“. Die CDU sprach zwar auch von „eigenen Anstrengungen“, zugleich verwies Haushaltsexperte Volker Liepelt auf die „Sondersituation Berlins als Stadtstaat und Bundeshauptstadt: „Niemand kann erwarten, dass Berlin diese Doppelbelastung angesichts der finanziellen Erblast aus der jahrzehntelangen Teilung vollständig aus eigener Kraft schultern kann.“

Noch dazu läuft 2005 die Förderung durch den Europäischen Sozialfonds aus, und auch der Regionalfonds steht zur Disposition. Aus beiden Fördertöpfen erhält Berlin jährlich 360 Millionen Mark. Dorothee Winden

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