VOR EINER BEGNADIGUNG SOLLTEN SICH EX-RAF-MITGLIEDER ENTSCHULDIGEN
: Respekt vor den Angehörigen der Opfer

Die Rote Armee Fraktion (RAF) hat sich 1998 aufgelöst. Ihre Gefangenen blieben in Haft. Nun dürfte auch das bald Geschichte sein. Der Antrag von Brigitte Mohnhaupt auf Haftentlassung ist business as usual. Die Exterroristin hat im März ihre Mindesthaftdauer von 24 Jahren erreicht. Nun kann sie auf Bewährung entlassen werden, wenn sie nicht mehr als gefährlich gilt. Da sie gute Prognosen hat, wird dies bald der Fall sein. Bemerkenswert daran ist höchstens, dass Mohnhaupt überhaupt Anträge an diesen Staat stellt. Eine vorzeitige Begnadigung hat sie – anders als Christian Klar – nie angestrebt.

Doch auch die anstehende Entscheidung des Bundespräsidenten über das Gnadengesuch von Klar sorgt zu Recht für wenig Aufregung in Deutschland. Bisher wurde keiner der entlassenen RAF-Kämpfer rückfällig. Der eine oder die andere versteht sich zwar noch als Staatsfeind – aber das ist in einem freien Land zum Glück nicht verboten.

Insgesamt sind die ehemaligen Aktivisten der RAF ein Musterbeispiel für gelungene Reintegration von Straftätern. Für eine vorzeitige Entlassung von Klar spricht, dass er sicher härtere Haftbedingungen hatte als andere Mörder. Die RAF-Angehörigen und Sympathisanten sprachen oft von „Isolationsfolter“. Wäre er als normaler Straftäter im Ausland so behandelt worden, hätte man die entsprechenden Jahre möglicherweise doppelt oder dreifach angerechnet. So gesehen hat Klar sicher genug gebüßt.

Andererseits ist er weder besonders, krank noch hat er sich explizit von seinen RAF-Morden distanziert, wie dies bei den meisten Begnadigungen bislang der Fall war. Eine Entschuldigung kann und sollte der Bundespräsident aber von Klar verlangen – schon mit Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer. Die RAF war schließlich keine Befreiungsbewegung, der man heute eine gewisse moralische Berechtigung zubilligen könnte. Nein, der RAF-Terror war ein völliger Irrweg: größenwahnsinnig und oberflächlich in den Zielen und menschenverachtend in den verwendeten Mitteln.

Wenn Klar eine Entschuldigung gegen die Ehre geht, dann wird es auch für ihn die ganz normale rechtstaatliche Entlassung geben – in zwei Jahren.

CHRISTIAN RATH