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Angela Merkel wird zur Auto-Kanzlerin

Im Streit um CO2-Grenzwerte schlägt sich auch Schröders Nachfolgerin auf die Seite der deutschen Industrie und lehnt feste Vorgaben ab. Unternehmen fürchten um Arbeitsplätze, Umweltverbände um Deutschlands Vorreiterrolle beim Klimaschutz

VON MALTE KREUTZFELDT

Im Kampf gegen einen verbindlichen Grenzwert für den CO2-Ausstoß von Pkws kann sich die deutsche Automobilindustrie über eine wichtige neue Verbündete freuen. Angela Merkel, derzeit nicht nur Bundeskanzlerin, sondern auch EU-Ratspräsidentin, stellte sich gestern hinter die Autohersteller. „Mit aller Härte“ werde sie gegen entsprechende Pläne der EU-Kommission eintreten, sagte Merkel beim „Europatag“ der deutschen Industrieverbände in Berlin. Zwar sei es eine „bedauerliche Tatsache“, dass die Autobauer ihre Selbstverpflichtung zur Reduktion schädlicher Klimagase nicht einhalten werden, sagte Merkel. Daraus dürfe aber nicht folgen, dass die EU alle neuen Autos über einen Kamm schere. „Wir werden verhindern, dass es eine generelle Reduktion gibt.“

Die Pläne, den CO2-Ausstoß von Kraftfahrzeugen zu begrenzen, sorgen innerhalb der EU derzeit für großen Streit. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas wollte eigentlich schon letzte Woche ein Konzept vorstellen. Demnach soll die durchschnittliche Abgabe des klimaschädlichen Kohlendioxids bei Pkws bis zum Jahr 2012 auf 120 Gramm pro gefahrenen Kilometer sinken. Der deutsche EU-Industriekommissar Günter Verheugen lehnt dies Ziel ab und hat die offizielle Vorstellung der Pläne bisher gestoppt. Die Chefs der fünf großen deutschen Automobilhersteller hatten sich zuvor in einem Schreiben an die EU-Kommission gewandt und gewarnt, dass zehntausende Stellen verloren gehen könnten. Während Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sich dieser Kritik sofort anschloss, übte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) Kritik an den Autobauern. Sie müssten aufpassen, bei spritsparenden Modellen nicht den Anschluss an die globale Konkurrenz zu verlieren.

Die deutschen Automobilhersteller – und nun auch die Kanzlerin – wenden sich mit ihrer Kritik gegen einheitliche Obergrenzen für alle Autos. Eine solche absolute Obergrenze wird von der EU jedoch überhaupt nicht angestrebt. Der Grenzwert von 120 Gramm soll vielmehr als Durchschnittswert für die Neuwagenflotte jedes Herstellers gelten. Dagegen könnten eigentlich weder Kanzlerin noch Wirtschaftsminister etwas haben, denn diese Ziel steht im Koalitionsvertrag. Der Sprecher der Deutschen Umwelthilfe, Gerd Rosenkranz, sieht eine „Vernebelungsstrategie“, mit der die deutschen Hersteller die EU-Pläne als Ganzes stoppen wollen. Weil die deutschen Autobauer die Selbstverpflichtung am deutlichsten verfehlt haben, hätten sie auch das größte Interesse, gesetzliche Regeln zu verhindern.

Umweltschutzverbände appellierten an die EU-Kommission, im Streit um die Grenzwerte nicht nachzugeben. Das Argument der deutschen Autofirmen, dass gesetzliche Obergrenzen tausende Arbeitsplätze kosten würde, sei ein „Griff in die Mottenkiste“, erklärte BUND-Geschäftsführer Gerhard Timm. Mit dem gleichen Argument hätten die Konzerne in der Vergangenheit auch die Einführung von Katalysatoren und bleifreiem Benzin bekämpft. Die Deutsche Umwelthilfe forderte Angela Merkel auf, die deutsche Vorreiterrolle im Klimaschutz nicht kurzsichtigen Lobbyinteressen zu opfern. Das würde nicht nur Deutschland Ruf als ehrlicher Makler im globalen Klimaschutzprozess dauerhaft ruinieren, sondern mittelfristig auch den Erfolg der exportorientierten Wirtschaft selbst in Frage stellen. Auch der Verkehrsclub Deutschland erklärte, nur verbindliche Grenzwerte verpflichteten die Autohersteller dazu, auf spritsparende Modelle zu setzen. mit AP

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