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Vorwürfe gegen Kongos Armee

Menschenrechtler in Kinshasa erheben schwere Beschuldigungen gegen das Militär wegen der blutigen Niederschlagung eines Generalstreiks im Westen des Landes

KINSHASA taz ■ Die gewaltsame Niederschlagung von Protesten im Westen der Demokratischen Republik Kongo am vergangenen Donnerstag war weitaus blutiger als zunächst berichtet. Unabhängige Beobachter in der Hauptstadt Kinshasa sprechen mittlerweile von rund 130 Toten als Ergebnis der Armee- und Polizeieinsätze gegen einen von der Opposition ausgerufenen Generalstreik in mehreren Städten der Provinz Bas-Congo. Gegenüber der taz sprach die Menschenrechtsorganisation VSV (Voix des Sans-Voix) von Massakern an fliehenden Demonstranten durch kongolesische und angolanische Soldaten, nachdem die Aufmärsche vorbei waren.

„Es war ein regelrechtes Blutbad“, beschreibt VSV-Vizepräsident Dolly Ibefo Mbunga die Vorgänge in der Hafenstadt Moanda, wo es die meisten Tote gab. „Die Demonstranten zogen sich in eine Kirche zurück, als sie sahen, dass an der nahen Grenze im Dorf Yema angolanisches Militär einrückte und am Atlantikstrand in Schnellbooten anlandete. Die Angolaner verstärkten die kongolesische Armee. Zusammen umstellten sie die Kirche, beschossen sie mit schwerer Artillerie, zündeten sie an und schossen hinein.“

Unmittelbar seien beim Angriff auf die Kirche von Moanda mindestens 20 Menschen getötet worden; andere flohen verletzt und „starben im Busch“, so Ibefo. „Wir gehen von 50 bis 96 Toten in Moanda aus.“ Er beruft sich auf Quellen im städtischen Gesundheitsdienst. Dem Massaker gingen blutige Kämpfe zwischen Polizei und Demonstranten voraus. In Moanda stürmten die Demonstranten die Verwaltungsgebäude, öffneten das Gefängnis und hackten Polizeikommandant Michel Kamate mit Macheten in Stücke, sagt Ibefo. Dies erklärt die harsche Reaktion des Militärs, die dennoch nach allgemeiner Überzeugung internationaler Beobachter in Kinshasa beispiellos ist und nichts Gutes für den künftigen Umgang der neu gewählten Regierung mit ihren Gegnern erwarten lässt. „Es gab relativ wenige Tote während der Demonstrationen. Die Armee trat erst danach in Aktion“, so der Menschenrechtler.

Jugendliche joggen inmilitärischer Formation

Die Proteste in Bas-Congo hatten sich am Sieg des Bündnisses von Staatschef Joseph Kabila bei den Gouverneurswahlen am 27. Januar entzündet. Im zuständigen Provinzparlament hält die Opposition unter Jean-Pierre Bemba die Mehrheit. Die Vereinigung „Bunda Dia Kongo“ (BDK), ein religiös angehauchter Traditionsbund der Mehrheitsethnie der Bakongo, hatte daraufhin für den 1. Februar zum Generalstreik aufgerufen.

BDK-Anhänger errichteten am frühen Morgen in den meisten Städten der Provinz Straßensperren. „Die BDK-Demonstranten hatten Stöcke, Knüppel und Macheten“, berichtet der Menschenrechtler Ibefo. „Die Polizei eröffnete auf sie das Feuer, die Demonstranten nahmen einigen die Gewehre ab und erschossen vier Polizisten, während sechs BDK-Anhänger getötet wurden. Weil die Lage so ernst war, rückte die Armee aus der nahen Militärbasis Kitona an.“ Dann sei die angolanische Verstärkung gekommen und die Demonstranten flohen in das BDK-Kirchengebäude der Stadt, das daraufhin von der Armee angegriffen wurde.

Auch in anderen Städten gab es zahlreiche Tote. Seit Freitag, so Ibefo weiter, gehe das Militär mit Razzien, nächtlichen Festnahmen und Verschleppungen gegen bekannte BDK-Aktivisten und ihre Familien vor.

VSV ist eine der führenden Menschenrechtsgruppen des Landes und hat in Bas-Congo auch mit den Behörden gearbeitet. Sorge bereitet dem VSV-Vizepräsidenten die zunehmende Ethnisierung der BDK. „Sie sagen, ihre Provinz wäre jetzt von Leuten aus dem Osten des Kongo besetzt, dass alle öffentlichen Dienste jetzt von Ostkongolesen geführt werden.“ Bei den Wahlen 2006 hatte die Opposition unter Bemba im Westen des Landes mit ähnlichen Argumenten gepunktet.

Innenminister Denis Kalume gab am Wochenende die Zahl der Toten in Bas-Congo mit 97 an, davon 87 Zivilisten, 6 Polizisten und 4 Soldaten. Oppositionschef Bemba rief „die gesamte kongolesische Bevölkerung“ auf, am gestrigen Montag bis zum Mittag einen „nationalen Trauertag“ einzulegen und nicht zur Arbeit zu gehen. Dies veranlasste Kinshasas Militärgouverneur General Liwanga zu einer scharfen Warnung: Man werde den Oppositionsführer zur Verantwortung ziehen, sollte sie Gewalt in Kinshasa provozieren.

Bereits am Sonntag waren in Kinshasas Armenvierteln ungewöhnliche viele Jugendliche bei martialisch anmutenden Übungen wie Joggen in militärischer Formation oder Boxen zu sehen. Die sogenannten Sportifs sind besonders unter der Bakongo-Bevölkerung Kinshasas verbreitet. Sie machen zwar regelmäßig öffentliche Sportübungen, aber selten so zahlreich, und sie gelten als Reservearmee für gewaltsame Oppositionsaufmärsche in der Stadt. DOMINIC JOHNSON

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