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Ministerin will die Kinderkrippe für alle

Ursula von der Leyen (CDU) will deutlich mehr Kitaplätze für Kleinstkinder. Im Jahr 2013 soll jedes dritte Kind unter drei Jahren eine Tagesbetreuung erhalten. Während SPD und Gewerkschaft loben, warnen die Kommunen vor unerfüllbaren Versprechen

AUS BERLIN ANNA LEHMANN

Buhrufe und Begeisterung erntete Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestern für ihren Vorstoß, die Kinderbetreuung für unter Dreijährige auszubauen. Bis spätestens 2013 müsse es zusätzlich 500.000 Betreuungsplätze geben, sagte die Unions-Ministerin in der Süddeutschen Zeitung.

Die familienpolitische Sprecherin des Koalitionspartners SPD, Christel Humme, unterstützt den Vorstoß: „Es ist richtig Druck auf die Kommunen zu machen“, sagte sie der taz. „Viele haben Kinderbetreuung noch nicht als Standortfaktor erkannt.“ Ihre Partei will einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz durchsetzen. Die Bildungsgewerkschaft GEW spendet ebenfalls Beifall: „Das ist ein richtiger Schritt“, sagte GEW-Chef Ulrich Thöne der taz und plädiert dafür, gleichzeitig die ErzieherInnen besser zu qualifizieren.

Derzeit werden nach Angaben des Familienministeriums rund eine Viertelmillion Kinder unter drei Jahren in Kindertagesstätten oder von Tagesmüttern betreut. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart die Zahl der Plätze bis 2010 zu verdoppeln. Von der Leyen treibt das Soll weiter hoch: 750.000 Kleinstkinder sollen bis 2013 tagsüber außer Haus spielen können. Das wären 35 Prozent aller Kinder in dieser Altersgruppe. „Die Weichen für eine Bildungskarriere werden am Anfang gestellt“, begründet von der Leyen ihre Offensive. Nach ihren Berechnungen wären dafür etwa 3 Milliarden Euro zusätzlich nötig, die Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam aufbringen sollten.

Für Kinderbetreuung sind bisher hauptsächlich die Kommunen zuständig; entsprechend alarmiert reagierte gestern der Präsident des deutschen Städtetags Christian Uhde (SPD): Es gebe bei Städten und Gemeinden wachsenden „Verdruss“ darüber, dass der Bund Versprechungen mache und die Rechnung dann an die Rathäuser schicke. Sollten die Kommunen die Koalitionsvereinbarung jedoch nicht erfüllen, so will von der Leyen einen gesetzlichen Rechtsanspruch als letztes Mittel durchsetzen.

Ein allgemeiner Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige existiert bisher in keinem Bundesland. Die Anzahl der Plätze richtet sich nach dem von den Ländern definierten Bedarf. Vorreiter sind die ostdeutschen Länder und die Großstädte. So haben Kinder von berufstätigen Eltern in Sachsen-Anhalt Anspruch auf ganztägige Betreuung ab der Geburt. In Hamburg besucht bereits ein Viertel der unter Dreijährigen eine Krippe oder Tagesmutter, in Schleswig-Holstein dagegen nur fünf Prozent. Rheinland-Pfalz will bis 2010 die kostenfreie Kita für alle Kinder ab zwei Jahren einzuführen.

GEW-Experte Norbert Hocke fordert ein generelles Umdenken – Bedarf dürfe nicht aus Sicht der Eltern, sondern der Kinder gesehen werden. „Am nötigsten sind Angebote für Kinder von MigrantInnen und Arbeitslosen“, sagt Hocke.

Mitarbeit: Jan Georg Plavec und Heide Oestreich

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