: Neuer Ärger mit AKW in Schweden
Nicht nur der Meiler in Forsmark macht Probleme. In Ringhals war ein Reaktor 13 Tage in Betrieb, obwohl das Kühlsystem wegen losen Dichtungsmaterials defekt war
STOCKHOLM taz ■ Wieder ein Zwischenfall in schwedischen AKWs. Gestern wurde bekannt, dass im AKW Ringhals ein Reaktor 13 Tage lang weiter betrieben wurde – trotz eines gefährlichen Defekts im Kühlsystem. Im 31 Jahre alten Reaktorveteranen Ringhals 1 hatte man bereits seit Herbst 2006 Probleme mit einem undichten Ventil im Kühlsystem bekommen. Ein Fehler, der sich trotz mehrerer Reparaturversuche nicht beheben ließ. Zusätzlich verzichtete man darauf, den Reaktor für eine gründliche Untersuchung abzustellen.
Mitte Januar hatten die Betreiber nun in der fraglichen Kühlleitung wechselweise jeweils plötzlich steigenden, dann wieder drastisch absinkenden Wasserdurchfluss registriert. In diesem Zustand betrieb die Kraftwerksleitung den Reaktor zwischen dem 16. und 29. Januar weiter, obwohl sie nach eigenen Angaben den Grund der Fehlfunktionen nicht finden konnte.
Nachdem sie den Reaktor abgestellt hatte, zeigte sich, dass sich ein Teil der Ventil-Gummidichtung gelöst hatte. Sie schwamm daraufhin frei in der Rohrleitung umher und beeinflusste dort je nach Lage den Kühlwasserdurchfluss.
Losgerissenes Dichtungs- und Dämmmaterial, das dann große Teile der Kühlwasserzufuhr verstopfte, hatte schon 1992 im mittlerweile stillgelegten AKW Barsebäck zu einem dramatischen Zwischenfall geführt. In dessen Folge wurden alle schwedischen Reaktoren ähnlicher Konstruktion umgebaut. Das jetzt in Ringhals losgerissene Dichtungsteil war laut staatlicher Atomaufsichtsbehörde SKI in einen Teil des weitverzweigten Kühlsystems gelangt, das „direkt und indirekt den sicheren Betrieb des Reaktors beeinflusst“. Die Behörde kritisiert daher in einem weitgehend geheimen Rapport, dass der Reaktorbetrieb erst 13 Tage, nachdem deutliche Indikationen für unbekannte Fehlfunktionen vorlagen, gestoppt worden war.
Danach vergingen zwei Wochen, bis man die abgerissene Gummidichtung lokalisiert und aus dem Kühlsystem entfernt hatte. Grund für den Abriss soll ein Materialfehler bei der erst im August vergangenen Jahres ausgewechselten Dichtung gewesen sein. Ein Atomkrafttechniker, der anonym bleiben möchte, wundert sich gegenüber der taz, warum man in Ringhals einen so offenbaren Zusammenhang nicht sofort erkannt habe. Auf die Verbindung zwischen dem seit längerer Zeit wegen Dichtungsfehlers leckendem Ventil und der Beeinflussung des Kühlwasserdurchflusses hätte man kommen müssen. Doch habe man wohl ganz einfach gehofft, das Problem werde sich von selbst „lösen“ und man könne den Reaktor bis zur nächsten planmäßigen Revisionsabschaltung weiterfahren.
Nachdem in Schweden bereits die Reaktoren Forsmark 1 und 2 stillstehen, denen SKI einen Weiterbetrieb verboten hatte, musste am Freitag auch der Reaktor Ringhals 2 wegen Problemen am primären Kühlwassersystem auf unbestimmte Zeit heruntergefahren werden. Grund war laut Ringhals-Produktionschef Lars Eliasson eine plötzlich erhöhte Kühlwasser-Leckage von „normal“ 6 auf 12 Liter/Stunde. Für diese habe man keine Erklärung und müsse nun den Reaktor im abgestellten Zustand untersuchen. REINHARD WOLFF
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