: Swatch nur als Sparauto gewollt
Die Ideen gibt es. Aber die deutschen Autobauer sind wenig visionär: Das Stadtauto mit Stromantrieb könnte längst Wirklichkeit sein – wären da nicht VW und Mercedes
BERLIN taz ■ Nicolas G. Hayek hatte eine Vision: ein kleines buntes Kunststoffauto für die Stadt. Vier Elektromotoren an den Rädern wandeln die beim Bremsen entstehende Energie um und speichern sie. In der Stadt läuft das umweltfreundliche Fahrzeug elektrisch. Und wenn der Strom alle ist, schaltet der Hybridmotor auf Benzin oder Diesel um. Kosten sollte das Auto nicht mehr als 7.500 Euro.
Dass man mit Ideen und buntem Plastik Geld verdienen kann, hatte Hayek als Mitbegründer der Swatch AG bewiesen. Für das schrille Auto fand er 1991 die Volkswagen AG als Partner, bis Ferdinand Piëch dort Chef wurde. Offizieller Grund für die Aufkündigung der Zusammenarbeit: „Investitionsstraffungen“ – was Piëch nicht davon abhielt, in Spritfresser wie den Phaeton oder Bugatti zu investieren.
Schließlich überzeugte Hayek Mercedes-Benz-Chef Helmut Werner von seinem Konzept. Die Micro Compact Car AG wurde als Tochtergesellschaft von Daimler Benz und der SMH Automobile von Hayek gegründet.
„Am Anfang war geplant, zwei Autos zu bauen. Den Smart mit einem konventionellem Motor und das Swatch-Auto mit einem Hybridsystem“, sagt Beatrice Howald, die Pressesprecherin der Swatch AG. 1997 sollte das Swatch-Auto auf den Markt kommen. 35.000 Bestellungen vermeldeten damals die Agenturen.
Doch auch bei Mercedes gab es Bewegung in der Führungsetage. Als Jürgen Schrempp 1994 Daimler-Konzernchef wurde, sah er Risiken in den neuen Modellreihen, zu denen auch das Swatch-Auto gehörte. Es gab Streit. Die Autobauer fühlten sich von Hayek bevormundet. Es sei der Eindruck entstanden, erklärte Schrempp damals, „als müsse uns Herr Hayek beibringen, wie man Autos baut“. Dabei hatte längst ein Mercedes-Mann die Entwicklung der alternativen Antriebe übernommen.
Die Schweizer Ingenieure tüfteln heute in Biel ohne die großen Konzerne an ihrem Elektroauto Sam. „Nach den ersten Verhandlungen mit Mercedes sind wir ausgestiegen. Uns wurde klar, dass die das Swatch-Auto mit den Elektromotoren nie bauen“, erinnert sich Marc Frehner, der damals für das Design zuständig war. „Der heutige benzinbetriebene Smart hat nichts mehr mit unserer ursprünglichen Entwicklung zu tun“, sagte er der taz. Hayek aber blieb. „Er hatte die Illusion, doch noch ein sauberes Auto zu bauen.“
1997 kam dann das endgültige Aus. Marken-Chef Werner, der das Swatch-Auto zu Mercedes geholt hatte, trat nach internen Auseinandersetzungen mit Schrempp zurück. Im selben Jahr scheiterte das Swatch-Auto im so genannten Elchtest. Hayek stieg aus dem Projekt aus, da er die steigenden Entwicklungskosten nicht mittragen wollte und Mercedes sich weiter weigerte, die Elektromotoren an den Rädern einzubauen. Dazu Swatch-Sprecherin Howald: „Die Autoindustrie hat Angst vor Neuerungen. Hayek hat immer gesagt, man kann das Auto bauen, zu einem gutem Preis. Mercedes könne nur nicht sparen.“
Also verkaufte Hayek seine Anteile an Mercedes-Benz. Aus Micro Compact Car wurde Smart. Und das erste Hybridauto bauten die Japaner. MIRJAM NEEBE
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