: „Deutschland könnte viel mehr geben“
Gemessen an seiner Wirtschaftskraft ist Deutschland ziemlich geizig, meint der Direktor des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Dabei wird nicht nur Geld gebraucht, um die Gesundheitssysteme im Süden zu verbessern
Die Eindämmung von HIV/Aids und die Stärkung der afrikanischen Gesundheitssysteme steht auf der Tagesordnung des G-8-Gipfels in Heiligendamm vom 6. bis 8. Juni. Denn jährlich sterben rund 6 Millionen Menschen an Aids/HIV, Tuberkulose oder Malaria. 2002 gründeten Regierungen, zivilgesellschaftliche Akteure, Unternehmen und betroffene Gruppen den Globalen Fonds zur Bekämpfung dieser drei Krankheiten als eine globale öffentlich-private Partnerschaft. Seitdem haben rund 770.000 Menschen von den mehr als 450 Programmen profitiert. Im Herbst soll es in Berlin eine Geberkonferenz geben.
INTERVIEW NIKOLAI FICHTNER
taz: Herr Kazatchkine, Sie sind seit vier Wochen Direktor des Globalen Fonds gegen Aids, Malaria und Tuberkulose. Wie steht es um den Kampf gegen Aids?
Sehr gut. Als mein Vorgänger Richard Feachem 2002 sein Amt übernahm, wurden nur 200.000 HIV-Patienten in armen Ländern behandelt. Heute sind es mehr als 2 Millionen. Immerhin 25 Prozent aller Patienten in Entwicklungsländern werden heute mit antiretroviralen Medikamenten behandelt.
Und was ist mit den anderen?
Es ist leider nicht so, dass man einfach nur die Hilfe verfünffachen müsste, und alle Kranken würden behandelt. Die Entwicklungsländer müssen auch in der Lage sein, das Geld sinnvoll einzusetzen.
Dann müssen Sie eben mehr Geld in die Gesundheitssysteme stecken.
Genau das tun wir. Wir stecken mehr als die Hälfte unserer Ausgaben in die Gesundheits-Infrastruktur und öffnen uns weiter für Projekte, die das Gesundheitswesen in armen Ländern allgemein stärken. Dabei müssen wir aufpassen, dass wir nicht nur die Unikliniken in den Hauptstädten fördern, sondern vor allem die Krankenhäuser für die armen Menschen. Wir haben 3,6 Millionen Menschen ausgebildet, um im Sozial- und Gesundheitswesen zu arbeiten.
Viele von denen arbeiten später zwar im Gesundheitswesen – aber in Großbritannien oder anderen Industrieländern.
Ja, das ist schon heuchlerisch. Geld geben allein reicht eben nicht, die reichen Länder müssen auch aktiv etwas gegen den so genannten brain drain tun, den Verlust ausgebildeten Personals in Entwicklungsländern. Da müssen die Krankenhäuser des Nordens mit denen des Südens solidarisch sein.
Was erwarten Sie vom G-8-Gipfel in Heiligendamm?
Ich erwarte, dass die G 8 den Globalen Fonds so unterstützen, dass er seine Ziele erreichen kann. Wir wollen unser Budget bis 2010 verdreifachen, von 2 Milliarden Dollar pro Jahr auf 6 Milliarden. Der größte Teil muss von den G-8-Ländern kommen.
Ob das klappt, wird sich spätestens im September zeigen. Dann findet in Berlin unter Vorsitz von Kofi Annan und Angela Merkel die Geberkonferenz für Ihren Fonds statt.
MICHEL KAZATCHKINE ist Immunologe und Exekutivdirektor des 2002 gegründeten Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria in Genf. Von 1998 bis 2005 leitete der in Paris geborene Franzose die Aids-Forschungsagentur ANRS.
Wir erhoffen uns viel von dieser Konferenz – besonders von Deutschland. Bislang liegt Deutschland auf der Rangliste der Geberländer noch auf Platz sieben. Gemessen an Deutschlands Wirtschaftskraft könnte das noch sehr viel mehr werden.
Nervt es eigentlich, immer wieder um dieses Geld betteln zu müssen?
Ich hätte schon gerne eigene Einnahmequellen. Wir finanzieren Medikamente für lebenslange Behandlung. Aber wir bekommen von den Regierungen immer nur Geld für das nächste Jahr, die nächste Förderperiode. Bleibt das Geld aus, gibt es keine Medikamente mehr. Wenn wir Geld unabhängig von der offiziellen Entwicklungshilfe bekämen, hätten wir viel größere Planungssicherheit.
Die Flugticketabgabe, die Frankreich und 18 kleinere Länder eingeführt haben, wird ja bereits für den Kauf von Aids-Medikamenten verwendet.
Das ist ein erster innovativer Schritt in die richtige Richtung. Neben dem Geld ist das auch symbolisch sehr interessant, weil es eine neue Art des sozialen Ausgleichs schafft. Da geben nicht mehr nur reiche Länder an arme Länder. Gewinner der Globalisierung gibt es ja überall. Und die, die in der Business Class um die Welt fliegen, können doch etwas abgeben an die, die zurückbleiben. Genauso könnte man internationale Finanztransaktionen besteuern oder Waffengeschäfte.
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