: „Nicht gleich den Dampfhammer auspacken“
Die Bundesanwaltschaft wendet den Anti-Terror-Paragrafen 129a falsch an, kritisiert der grüne Rechtspolitiker Jerzy Montag. Weder Aktionen gegen den G-8-Gipfel noch Werbung für al-Qaida begründeten einen Terrorverdacht
JERZY MONTAG, 60, Rechtsanwalt, sitzt seit 2002 im Bundestag. Er ist rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
taz: Herr Montag, in dieser Woche will der Bundesgerichtshof entscheiden, ob ein Iraker, der Bin-Laden-Reden im Internet verbreitet hat, weiter in U-Haft bleiben muss. Sie haben 2003 die Neuformulierung des Anti-Terror-Paragrafen 129a mit ausgehandelt. Ist die Verbreitung von Al-Qaida-Reden noch als Terrorismus strafbar?
Jerzy Montag: Nein. Ich will zwar solche Reden, in denen Terror gerechtfertigt wird, nicht verharmlosen. Sie sind schier unerträgliche Meinungsäußerungen und können zum Beispiel als Billigung von Straftaten strafbar sein. Aber als Terrorismus ist die sogenannte Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung nicht mehr strafbar.
Generalbundesanwältin Harms will Ibrahim R. aber wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bestrafen lassen. Geht das?
Ich denke, nein. Wir haben die bloße Sympathiewerbung mit guten Gründen aus Paragraf 129a gestrichen, weil es unverhältnismäßig ist, mit Anti-Terror-Strafrecht gegen Meinungsäußerungen vorzugehen. Da wäre es doch absurd, das gleiche Verhalten nun als „Unterstützung“ zu verfolgen, was als Straftat ja noch schwerer wiegt. Bei der Bundesanwaltschaft wird offensichtlich der Wille des Gesetzgebers missachtet.
Und bei den Razzien gegen G-8-Gegner – wurde da der Paragraf 129a richtig angewandt?
Leider nicht. Auch hier wurde die Neuregelung von 2003 ignoriert. Das Gesetz sagt heute, dass Gruppen, die nicht auf Mord und Totschlag ausgerichtet sind, nur noch dann als terroristische Vereinigung eingestuft werden können, wenn ihre Taten den Staat erheblich schädigen können. Das sehe ich bei den bisherigen Anschlägen der militanten Kampagne gegen den G-8-Gipfel wirklich nicht.
In Durchsuchungsbeschlüssen heißt es, die Anschläge könnten „die internationale Position der Bundesrepublik Deutschland als verlässlicher Partner im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen erheblich schädigen“. Genügt das nicht?
Ich bitte Sie! Das ist doch lächerlich. Schon der Maßstab ist falsch. Es geht in Paragraf 129a nicht um das Renommee Deutschlands in der Welt, sondern um die Stabilität des Staats.
Was war die Intention der Neuregelung 2003?
Wir wollten verhindern, dass der Staat gegen kleine und kleinste Grüppchen wegen einiger Brandstiftungen und Sachbeschädigungen, die sicher strafbar sind, gleich den Riesendampfhammer auspackt. Wenn die Bundesanwaltschaft gegen Teile von Protestbewegungen mit Terrorvorwürfen tätig wird, dann prägt das doch auch das innenpolitische Klima und droht die ganze Bewegung ins Zwielicht zu bringen. Das wollten wir verhindern, und jetzt ist es doch wieder passiert.
Glauben Sie, dass das die Absicht der Generalbundesanwältin war?
Das müssen Sie Frau Harms fragen. Ich sehe nur, dass hier in beiden Fällen der Wille des Gesetzgebers eklatant missachtet wurde. Und da ich Frau Harms für eine gute Juristin halte, glaube ich nicht an einen Zufall.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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