: Rotzen wie die Profis
Zuordnung, Spielaufbau, Elferverwandlung: Einiges klappt bei den deutschen Autoren überzeugend. Aber das Freundschaftsspiel gegen Finnland zeigte auch: Unsere Autorennationalmannschaft braucht einen echten Knipser
Literatur und Fußball. Eigentlich hat man davon ja genug, seit sich im letzten Jahr jeder noch so rheumatische Schreiber mit ein paar klug gemeinten Versen in den medialen Hype um die WM einklinken wollte. Die Herren allerdings, die am Samstag zur besten Frühschoppenzeit mit entschlossenen Gesichtern und strammen Waden den Blau-Weiß-Berolina-Sportplatz in Mitte betraten, sind der leibhaftige Beweis dafür, dass Ball- und Sprachkunst auch wirkliche Leidenschaft verbinden kann.
Angetreten waren unter den Augen einer (zu Unrecht) überschaubaren Zuschauerkulisse die Besten unter den schreibenden Rundlederfreunden: die deutsche Autorennationalmannschaft, kurz „Autonama“. Im Freundschaftsspiel gegen die finnische Equipe sollte die letzte Feinabstimmung für die bevorstehende Weltmeisterschaft der Autoren im schwedischen Malmö gefunden werden. Deren Ergebnis nämlich soll anders ausfallen als das der WM im letzten Jahr, als die Deutschen den letzten Platz von vieren belegten.
Am Samstag überraschten die Finnen das deutsche Team zu Spielbeginn mit einer nicht ganz regelkonformen Taktik: Jeder der Feldspieler streifte sich ein Trikot mit der Nummer sieben über. Das sah zwar schön installativ aus, konnte aber durchaus zu Konfusionen führen. So dauerte es rund fünfzehn Minuten, bis Torwart Albert Ostermaier lautstark seine Abwehr sortiert und jeder seine gegnerische Sieben gefunden hatte. Als hinten die Zuordnungen stimmten, konnte der umtriebige Kapitän Jan „Diego“ Böttcher endlich das Spiel nach vorn aufbauen und die erste Sturm-und-Drang-Phase einleiten. Moritz Rinke, der in bewährter Makaay-Manier bislang unbeteiligt am gegnerischen Strafraum auf- und abgeschlichen war, verpasste in der 18. Spielminute nur knapp, zur 1:0-Führung einzuköpfen. Sein Sturmpartner Thomas Klupp überzeugte zwar durch einen starken läuferischen Antritt und aggressives Tackling, wies aber eine etwa gleich große Klose’sche Schwäche im Abschluss auf. Diesem Manko fielen zahlreiche präzise Flanken von der rechten Seite zum Opfer.
Weil allerdings auch der deutsche Schlussmann in der ersten Halbzeit kaum nennenswert geprüft wurde, verabschiedeten sich die Mannschaften mit einem torlosen Unentschieden in die Kabinen. Kaum hatte der Unparteiische die Partie wieder angepfiffen, konnte Tobias Hülswitt nach einem Eckstoß den Ball über die Linie drücken. Unglücklicherweise war es die Linie des Kollegen Ostermaier. Wie aber so oft, setzte der Rückstand den zweiten Atem bei der deutschen Mannschaft frei. Der Einsatz wurde belohnt: Böttcher verwandelte in der 59. Minute einen Handelfmeter zum 1:1-Ausgleich. Und nur drei Minuten später gelang es ausgerechnet Hülswitt, nach wunderbarer Vorarbeit von Norbert Kron den Ball zur 2:1-Führung zu versenken. Diesmal im richtigen Tor.
Weil aber so versöhnlich wohl nur Fußballspiele in der Literatur enden, müssen hier noch die harten Fakten angefügt werden: Trotz redlicher Abwehrleistungen von Uli Hannemann und Falko Hennig konnte eine finnische Nummer sieben in der 70. Minute „Titan“ Ostermaier überwinden. Die konditionell eher als schwach geltenden nordischen Poeten retteten das Remis bis zum Schlusspfiff über die Zeit. Im anschließenden Elfmeterschießen flatterten dann Youngster Klupp unter sengender Mittagssonne die Nerven. So stand es am Ende 6:7 aus Sicht der deutschen Mannschaft.
Es bleibt die Erkenntnis: Auch wenn sich die Dichter und Denker in den kurzen Hosen kämpferisch und technisch von der besten Seite zeigten, fehlt der deutschen Gegenwartsliteratur ein Lukas Podolski. Einer, der nicht viele Worte macht, sondern einfach draufhält. Daran kann bis zur WM noch gearbeitet werden – im Trainingslager mit Hans Meyer und Jogi Löw zum Beispiel, das in zwei Wochen ansteht. Einiges klappte aber auch jetzt schon perfekt: „Haste gesehn“, nickte ein weiblicher Fan nach dem Abpfiff anerkennend, „gerotzt haben die wie die Profis.“ WIEBKE POROMBKA
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