: Senatorin lässt Anklage abblitzen
Justizsenatorin von der Aue wehrt sich gegen Kritik der Staatsanwaltschaft wegen ihres Umgangs mit Oberstaatsanwalt. Unterstützung von SPD, PDS und Verteidigern. Disziplinarverfahren eingeleitet
VON PLUTONIA PLARRE
Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) macht ihrem Ruf als Eiserne Lady alle Ehre. „Es kann nicht Sache eines einzelnen Staatsanwalts sein, in seiner Funktion Privatrechtspolitik zu betreiben“, stellte die Senatorin gestern klar. Sie wies damit die Kritik der Vereinigung der Berliner Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit ihrem Vorgehen gegen den Oberstaatsanwalt Roman Reusch zurück.
Unterstützung bekam von der Aue von SPD und Linkspartei. Reusch habe sich mit seinen polemischen Äußerungen selbst diskreditiert, so der rechtspolitische Sprecher der Linkspartei, Klaus Lederer. Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, begrüßte von der Aues Haltung als notwendige Klarstellung. Auch die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger stärkte der Senatorin den Rücken. Die CDU will den Umgang mit Reusch am Donnerstag zum Thema in der Plenarsitzung machen.
Entzündet hatte sich der Streit an einem Interview, das vor zwei Wochen im Spiegel erschienen war. In einem Streitgespräch hatte der Leiter der für junge Intensivtäter zuständigen Abteilung 47, Oberstaatsanwalt Reusch, gesagt: „Wenn es rechtlich irgendwie möglich ist, greifen wir zur U-Haft als Erziehungsmittel.“ Die Justizsenatorin reagierte darauf via Bild-Zeitung mit der Ankündigung, gegen Reusch disziplinarische Schritte zu prüfen. Seine Äußerungen würden den Eindruck erwecken, in Berlin werde Untersuchungshaft als Erziehungsmaßnahme über jugendliche Intensivtäter verhängt, sagte sie zur Begründung. Der Hintergrund: Staatsanwälte verhängen keine U-Haft; sie wird von Richtern angeordnet. U-Haft ist keine Erziehungsmaßnahme. Zulässige Gründe sind Flucht- und Verdunklungsgefahr und wenn Wiederholungsgefahr besteht.
Die Vorsitzende der Vereinigung der Staatsanwälte, Vera Junker, hatte von der Aue am Wochenende in einem offenen Brief heftig kritisiert. Nicht durch Reuschs Äußerungen sei der Eindruck entstanden, dass in Berlin rechtswidrig Haftbefehle gegen Intensivtäter erlassen würden, „sondern weil Sie als Senatorin der Justiz in Ihrer Äußerung gegenüber der Presse diesen Eindruck erst konstruiert haben“, schrieb Junker. Dies sei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht zuträglich. Auch dass Reusch aus der Zeitung und nicht im Gespräch von den disziplinarischen Prüfungen erfahren habe, „ist inakzeptabel“.
Die Vereinigung der Strafverteidiger wiederum kritisierte die Vereinigung der Staatsanwälte: Eine Distanzierung von den „rechtswidrigen Forderungen“ einiger Staatsanwälte täte der Diskussion gut, so der Vorsitzende Peter Zuriel.
Inzwischen hat Generalstaatsanwalt Ralf Rother nach einem Termin mit der Justizsenatorin gegen Reusch ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet. Zur Begründung hieß es, durch Reuschs Äußerungen „könne der Eindruck entstehen, die Staatsanwaltschaft halte sich nicht an Recht und Gesetz“. Es gehe um die „Glaubwürdigkeit der Justiz“. An eine Ablösung Reuschs sei jedoch nicht gedacht, betonte der Generalstaatsanwalt mit Hinweis auf die erfolgreiche Arbeit der Abteilung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen