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Mit Atom gegen den Klimawandel

Großbritanniens neuer Premier Gordon Brown plant bis zu acht neue Atomkraftwerke

BRITEN UND ATOM

Großbritannien betreibt derzeit 14 kommerzielle Atomkraftwerke, von denen die meisten auf das Ende ihrer Laufzeit zusteuern. Bis vor anderthalb Jahren konnten Umweltschützer deshalb darauf hoffen, dass nur ein AKW die nächsten 20 Jahre überdauern würde. 2005 vereinfachte Premier Tony Blair jedoch die Genehmigungsverfahren für neue AKWs. Ein Gericht stoppte dieses Programm im Februar. Nun startet die Regierung einen neuen Versuch.

DUBLIN taz ■ Die britische Atomlobby hat einen neuen Freund. Noch-Schatzkanzler Gordon Brown, der am 27. Juni zum neuen Premierminister gekrönt wird, setzt die Energiepolitik seines Vorgängers Tony Blair nahtlos fort. Bis zu acht neue Atomkraftwerke werden gebaut, wahrscheinlich schon in den nächsten 15 Jahren. Das steht in dem neuen Weißbuch zur Energiepolitik, das heute vorgestellt wird.

Auch Blair hatte zuletzt auf neue Atomkraftwerke gesetzt. Allerdings hatte der High Court in London sein Programm im Februar gestoppt. Die Richter entschieden damals, dass der Planungsprozess „äußerst mangelhaft“ und „verfahrensrechtlich unfair“ gewesen sei. Die Regierung habe eine „umfassende öffentliche Anhörung“ versprochen, die nicht stattgefunden habe. Mit dem neuen Weißbuch beginnt das Konsultationsprozedere nun von vorne.

Der Ausbau der Atomkraft sei die einzige Möglichkeit, die angepeilte Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes um 60 Prozent bis 2050 zu schaffen, heißt es dort. Um die Umweltschützer zu beruhigen, will man auch in Hunderte neuer Windkraftanlagen vor der Küste investieren. Greenpeace lässt sich dadurch nicht irritieren. „Auf Atomkraft zu setzen, um den Klimawandel zu stoppen, ist, als ob man anfängt zu rauchen, um abzunehmen“, erklärt die Organisation.

Auch viele Labour-Abgeordnete sind nicht glücklich über die Entscheidung. Der frühere Staatssekretär für Umweltschutz, Elliot Morley, sagte: „Ich befürchte, dass nun Investitionen für alternative Technologien, für erneuerbare und effiziente Energien umgeleitet werden.“

Die Regierung will die neuen Anlagen neben alte, stillgelegte AKWs bauen lassen. Dadurch, so hofft man, werden die Proteste nicht so heftig, weil die Anwohner bereits an die Plutoniumschleudern vor ihrer Haustür gewöhnt sind. Subventioniert werden die neuen AKWs nicht.

Der deutsche Energiekonzern Eon und die französische EDF wollen sich um die Baulizenzen bewerben. Browns Bruder Andrew ist leitender Angestellter bei EDF. Alastair Darling, Minister für Handel und Industrie und enger Freund von Brown, gehörte früher zu den schärfsten Gegnern der Atomkraft. Jetzt sagt er: „Großbritannien befindet sich im Wettlauf mit der Zeit, um die Energieversorgung zu sichern. Die alten Atomkraftwerke liefern zurzeit 19 Prozent des Stroms.“ Wenn man nichts unternehme, falle diese Zahl bis 2020 auf 7 Prozent.

Die plötzliche Eile ist verwunderlich, ist Labour doch bereits seit zehn Jahren an der Macht und hat 1998 und 2003 zwei Weißbücher zur Energie veröffentlicht. „Keins der beiden ging der Frage nach, wie man Großbritannien heizen kann, ohne den Planeten zu überhitzen“, monierte die Zeitung Observer jüngst. Das Papier von 2003 lehnte Atomkraft sogar ausdrücklich ab. Kurz nach den Wahlen 2005 schwenkte Blair um.

RALF SOTSCHECK

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