DIE REGIERUNGSERKLÄRUNG ZUM G-8-GIPFEL WAR INHALTSLEER UND FEIGE
: Merkels Demo-Aufruf

Es war höchste Zeit für eine Regierungserklärung der Kanzlerin zum G-8-Gipfel an der deutschen Ostseeküste. Wie das bevorstehende Treffen der mächtigsten Staatslenker der Welt bisher im Gastgeberland wahrgenommen wird, kann Angela Merkel eigentlich nicht gefallen. Seit Wochen dreht sich die innenpolitische Debatte vor allem um die geplanten Proteste der G-8-Kritiker und die übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen der Behörden. Von den Gipfel-Themen ist kaum noch die Rede.

Das mag im Interesse des Innenministers liegen, der gewaltbereite Gegner erst richtig provoziert, um anschließend sein Image als oberster Ordnungshüter der Republik zu pflegen. Von einer Kanzlerin aber wird mehr verlangt – ihre Aufgabe wäre es, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen und zu erklären, worin der Sinn der teuren Veranstaltung in Heiligendamm besteht. Die Chance dafür ließ Merkel gestern im Bundestag verstreichen.

Die Kanzlerin, die sich sonst gerne liberal gibt, verzichtete darauf, die Sicherheitsfanatiker zu bremsen. Aber nicht nur deshalb war Merkels Rede ein ungewollter Demo-Aufruf. Sie bestätigte alle, die den G-8-Gipfel für einen Showtermin halten, bei dem nichts herauskommt außer Spesen. Fortschritte beim Klimaschutz? Laut Merkel unwahrscheinlich. Maßnahmen gegen rücksichtslose Hedgefonds? Ebenso aussichtslos. Merkel klang dermaßen pessimistisch, dass man sich kaum noch gewundert hätte, wenn sie angekündigt hätte, den Gipfel abzublasen. Das will sie natürlich nicht. Sie will einen Erfolg. Aber nur für sich.

Merkel redet das Treffen an der Ostsee jetzt herunter, um hinterher auftrumpfen zu können. Wer nichts erwartet, ist vielleicht positiv überrascht, wenn die G-8-Staaten wenigstens ein gemeinsames Kommuniqué verabschieden. Merkel verhält sich taktisch klug, aber feige. Mutig wäre es, hohe Ziele zu formulieren und ein Scheitern zu riskieren. Mutig wäre es, die USA zu kritisieren und der Bevölkerung etwas zuzumuten: etwa eine Erklärung, dass zum Klimaschutz auch Verzicht auf gewohnten Luxus gehört. Doch das trauen sich ja nicht einmal die Grünen. LUKAS WALLRAFF