: „Die Athleten lachen sich doch kaputt“
Der Dopingexperte Hans Geyer sagt: „Es wird natürlich gedopt.“ Es fehle an Geld und an intelligenten Kontrollen
HANS GEYER, 51, ist stellvertretender Leiter des Dopinglabors an der Kölner Sporthochschule
taz: Herr Geyer, derzeit ist viel vom Epo-Doping in den Neunzigerjahren die Rede, aber was passiert heute?
Hans Geyer: Es wird natürlich gedopt. Am weitesten verbreitet ist der Gebrauch von Anabolika. Epo wird auch benutzt. Aber nachdem man Nachweismethoden für Epo gefunden hat, sind die Ausdauersportler, auch die Radfahrer, auf Blutdoping ausgewichen. Das ist nicht nachweisbar. Auch Wachstumshormone können zurzeit nicht gerichtsfest nachgewiesen werden.
Es werden aber nur sehr wenige Sportler positiv getestet. Woran liegt das?
Sie haben Mittel und Wege gefunden, den Dopingkontrollen zu entgehen.
Wie machen die Sportler das?
Es gibt vielerlei Möglichkeiten. Man manipuliert zum Beispiel die Epo-Dopingprobe, indem man sogenannte Proteasen einsetzt. Das sind Epo-verdauende Enzyme.
Während der Urinabgabe werden diese Proteasen in den Becher hineingegeben?
Ja. Die sind leicht verfügbar. Wenn man etwa ein paar Krümel eines Spülmaschinensteins mit in die Probe gibt, ist innerhalb von Minuten das Epo im Urin weg. Wir in Köln haben allerdings eine Methode entwickelt, diese Proteasen zu entdecken. Aber grundsätzlich haben die Athleten aufgrund des unzureichenden Kontrollsystems alle Möglichkeiten, um unentdeckt zu bleiben. Wir haben nämlich keine intelligenten Dopingkontrollen.
Was heißt das?
Es wird zu oft zum falschen Zeitpunkt kontrolliert.
Wann ist das Ihrer Meinung nach?
Testosteron und Insulin werden nach Wettkämpfen genommen, um die Regeneration zu beschleunigen. Da müsste im Radsport zwischen den Etappen getestet werden und nicht direkt nach dem Rennen. Um den abschreckenden Effekt der Dopingkontrollen zu erhöhen, sollten bei einem Rennen auch nicht nur drei oder vier Fahrer per Losverfahren getestet werden, sondern auch mal das gesamte Peloton.
Das wird aber sehr teuer.
Ja, aber nur so wird der Kontrolldruck erhöht. Wenn man gegen Doping effektiv vorgehen will, muss man auch Geld in die Hand nehmen.
Was fordern Sie noch?
Wir haben gute Methoden, um Testosteron-Doping und Insulin-Doping nachzuweisen. Die muss man endlich auch anwenden.
Und die werden nicht angewendet?
Auch sie sind teuer. Wir meinen: Man muss sie nicht permanent einsetzen, aber wir brauchen sie definitiv. Die Athleten lachen sich doch kaputt, wenn nur Urin- und keine Blutkontrollen vorgenommen werden. Wachstumshormone sind nur im Blut nachzuweisen. Die Nationale Antidoping-Agentur hat zwar in diesem Jahr erstmals Blutkontrollen durchgeführt, aber derzeit ist die Nada im Umbruch und nicht mehr so schlagkräftig.
Machen die Tests einen Sinn, wenn die Erfolgsquote nur bei 0,5 Prozent liegt und Doper viele Schlupflöcher nutzen?
Wie gesagt, die Kontrollen müssen intelligenter werden.
Wie zufrieden sind Sie mit den Trainingskontrollen?
Da sind wir überhaupt nicht zufrieden. Im Radsport werden viel zu wenige durchgeführt. Wir fordern auch, dass die Dopingkontrollen wegkommen von den Verbänden und in die Hand unabhängiger Gremien gelegt werden. Die Verbände sind extrem unbeweglich. Was soll das bringen, wenn im Verband ein ehemaliger Radfahrer, der den Sport über alles liebt, seine Idole kontrolliert? Der Bund Deutscher Radfahrer hat in einer Zeit der Dopingenthüllungen die Wettkampfkontrollen verringert. Das wundert uns doch sehr.
INTERVIEW: MARKUS VÖLKER
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