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Hilfe beim Coming-out der Eltern

Panter-Kandidatin (8) Sigrid Pusch berät Angehörige von Homosexuellen

An dieser Stelle porträtieren wir jeden Samstag eine(n) von zwölf KandidatInnen für den taz-Panter-Preis.

Manchmal fragt sich Sigrid Pusch, womit Kinder solche Eltern verdient haben. Zum Beispiel wenn ein besorgter Vater bei ihr anruft und erzählt, dass er seinen Sohn gerade mit dem Baseballschläger vermöbelt hat, weil dieser ihm gesagt hat, dass er homosexuell ist: „Das war doch richtig, was ich getan habe?“ Das sind Momente, in denen Sigrid Pusch nicht mehr weiterweiß.

Ihr Einfamilienhaus am Stadtrand von Hannover ist längst zur Kampfzentrale des Bundesverbandes der Eltern, Freunde und Angehörigen von Homosexuellen (Befah) geworden, hier werden die Ungerechtigkeiten thematisiert, unter denen Schwule und Lesben immer noch zu leiden haben. Die Anrufe besorgter Eltern müssen entgegengenommen werden, und immer mal wieder steht ein junger Mann vor der Tür, der von zu Hause rausgeflogen ist: „Es kann gar nicht sein, dass du homosexuell bist, denn dann wärst du nicht mein Sohn.“ Kurz vor Weihnachten ist es besonders schlimm.

Von Sigrid Puschs immer reichlich gedeckter Tafel wird niemand verstoßen. Die Familie, das gemeinsame Mahl, das liegt ihr am Herzen: „Es ist ja nicht so, dass Schwule und Lesben vom Himmel fallen, sie kommen aus Familien. Und leider zerbrechen sehr viele Familien nach dem Coming-out des Sohnes oder der Tochter.“ Meist, weil die Eltern ihr eigenes Coming-out als Eltern von homosexuellen Kindern nicht bewerkstelligen. Auch Sigrid Pusch war nicht eben erfreut, als sich ihr Sohn 1996 als Homo outete. Sie war enttäuscht, wütend: „Das ist erst einmal ein Verlust, man muss Abschied nehmen: Das Bild, das man von seinem Kind hat, fällt herunter, aber nur der Rahmen und das Glas zerbricht, das eigentliche Bild ändert sich nicht. Den Rahmen muss ich mir neu erarbeiten.“

Sigrid Pusch ist in die Offensive gegangen. Ihr wurde recht schnell klar, wie wichtig ein unbeirrbares Engagement der Eltern für die homosexuelle Emanzipation sein könnte. „Wenn man politisch etwas erreichen möchte, braucht man einen Verband auf Bundesebene.“ Den hat die gelernte Krankenschwester auf die Beine gestellt, der Befah ist mit rund 250 organisierten Elternpaaren längst ein ernst zu nehmender bürgerrechtlicher Akteur. Alle zwei Jahre gibt es ein Bundestreffen, Sigrid Pusch, ihr Mann und ihre MitstreiterInnen sprechen bei Politikern und Kirchenvertretern vor.

Sigrid Pusch führt einen Kampf für die Rechte der Homosexuellen und gegen das Schweigen: „Viele Eltern meinen, mit der Homosexualität ihres Kindes nicht leben zu können. Dabei machen sie es sich nur selbst schwer, weil sie Angst haben, darüber zu reden. Irgendwann wissen es doch sowieso alle.“ Sigrid Pusch sticht immer mitten in das Wespennest, sie macht Lärm, sie spricht ganz offen über das, was vielen als Horror erscheint: „Ich sehe das überhaupt nicht ein, ich lasse mich doch nicht mit meinem Kind ins Dunkel abdrängen! Diese Menschen werden dermaßen auf ihre Sexualität reduziert.“

Sie selbst hätte ihren Sohn während der Schwangerschaft beinahe verloren. Auch deshalb kann sie nicht verstehen, dass manche Eltern ihr Kind verstoßen: „Eltern haben die Pflicht, aufzustehen und die Ungerechtigkeiten zu beseitigen, unter denen ihre Kinder zu leiden haben.“ MARTIN REICHERT

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