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Mit Farbe gegen Vorurteile

Zwei Monate malten und meißelten Türken und Kurden mit „politisch neutralen“ Jugendlichen aus Marzahn. „Miteinander geredet wurde kaum.“  ■ Von Gereon Asmuth

Auf einem Stück grüner Wiese ein Springerstiefel, umgeben von hohen Mauern. Ein Vulkanausbruch. Daneben bunte, abstrakte psychedelische Formen. Die Bilder heißen „Freiheit“ oder „Sehnsucht“ oder „Mein erster Trip“. Über hundert von ihnen hängen noch bis Sonntag in dem Zelt an der Marienburger Straße 40 in Prenzlauer Berg. Ein Stilmischmasch, dem man die ungezwungen Experimente der MalerInnen ansieht. Die sehenswerte Ausstellung ist das Ergebnis eines entspannenden Projekts.

„Um Gottes willen, nein!“ antwortet der 19jährige Ingo aus Marzahn auf die Frage, ob er sich jemals zuvor schon mit Kunst beschäftigt hat. Jetzt sitzt er mit einigen anderen der jungen Künstler in dem Zelt, findet aber „die Idee korrekt, Leute über die Kunst zusammenzubringen“. Neben ihm sitzt Ercan, ein 27jähriger Kurde aus Kreuzberg, und schmunzelt. Michael Koplin, Sozialarbeiter im Marzahner Jugendclub Wurzel, hat das Projekt initiiert. Kurzhaarige Jugendliche, die sich selbst als „politisch neutral“ bezeichnen, sowie türkische und kurdische Jugendliche aus Kreuzberg haben zwei Monate lang gemeinsam gemalt und gemeißelt. „Hier ist es zum Durchbruch gekommen“, freut sich Bildhauer Rudolf Kaltenbach und legt die Hand in die Öffnung zwischen den beiden Köpfen einer mannshohen Sandsteinskulptur. Kaltenbach hat die jungen Bildhauer angeleitet, sie zunächst Entwürfe in Ton modellieren lassen und hat dann gemeinsam mit ihnen den weichen Sandstein behauen. „Anfangs hämmerten die Türken auf der einen, die Deutschen auf der anderen Seite“, erzählt Kaltenbach. Erst später löste sich die Trennung auf.

Ganz überwunden wurde sie jedoch nicht. „Wir haben nebeneinander gemalt“, berichtet Ingo. „Miteinander geredet haben wir kaum, höchstens mal über das Malen.“ Freundschaften habe er nicht geschlossen. Schließlich gebe es Leute, die seien einem von Anfang an unsympathisch, ganz unabhängig von ihrem Aussehen. Und mit den extrem rechten Glatzen in ihrem Bezirk würden sie ja auch nicht reden. Das habe eh keinen Zweck.

„Mit denen wir gearbeitet haben, haben wir nicht geredet“, meint auch der 19jährige René und ergänzt: „Und mit den Bosniern kann man nicht reden.“ Die Bosnier waren nicht an dem Projekt beteiligt. Die Bosnier, das sind die Jugendlichen aus einem Flüchtlingswohnheim in Marzahn, die auch regelmäßig zu den Disco- Veranstaltungen in die Wurzel kommen. „Wir mußten die reinlassen.“ Der 19jährige Stefan ist nicht gerade begesteiert. Die Bosnier würden sich zu viel einbilden und den „Mädels aufs Klo nachrennen“. „Wenn man in einem anderen Land ist, muß man sich eben anpassen“, ergänzt Christian (23).

Durch die Konflikte mit den bosnischen Flüchtlingen werde „eine gewisse stumpfe Fremdenfeindlichkeit genährt“, meint Michael Koplin. Die Jugendlichen hätten sich in den letzten Jahren mehr nach rechts bewegt. Dennoch gewinnt Koplin der Tatsache, daß sich die Jugendlichen überhaupt äußern, eine positive Seite ab. „Solche Sätze kämen nicht, wenn die sich nicht auf die Bosnier einlassen würden“, erklärt der Sozialarbeiter. Es gelinge immer wieder, eine Einigung zwischen Deutschen und Bosniern zu finden.

Auch für die Kreuzberger war die Annäherung nicht einfach. Schon weil die Gruppe im Gegensatz zu der Marzahner aus mehr Abiturienten besteht, die zudem schon seit Jahren malen. „Doch bei einem gemeinsamen Frühstück haben wir mal über Faschismus gescherzt“, erinnert sich Ercan. „Aber so, als wenn wir nichts damit zu tun hätten“, meint Koplin. Da seien von den Türken Argumente gekommen, die auch von den Deutschen hätten kommen können. Wenn auch kaum im direkten Gespräch, so konnten doch wenigstens durch die gegenseitigen Besuche Vorurteile abgebaut werden. Kreuzberg, meint Christian heute, sei ein „geiler Bezirk, mit den ganzen Szenekneipen“. Und ginge es nach Ingo, müßte viel mehr darüber aufgeklärt werden, „daß Kreuzberg kein Horrorbezirk ist, wo alle mit dem Messer rumlaufen“.

Für Koplin war das Kunstprojekt nur ein erster erfrischender Schritt aus der braunen Suppe. Nun plant er eine Reise der Jugendlichen zum multikulturellen Karneval nach Brixton in London. Ohne vorgegebenen Arbeitsrahmen, so hofft Koplin, werden sich dann auch die bisher fehlenden persönlichen Gespräche ergeben.

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