: Die eigene Hütte ist billiger
■ Eine Studie im Auftrag der Grünen ergibt: Bremen könnte 3,3 Millionen Mark pro Jahr sparen, wenn mehr Obdachlose in „normalen“Wohnungen betreut würden
Statt im „Papageienhaus“für Obdachlose würde Hans-Joachim Schulzig gerne in einer eigenen Wohnung wohnen. Ähnlich geht es Umfragen zufolge rund 90 Prozent seiner Schicksalsgenossen. „Es ist einfach nervig, ständig die Hausordnung einzuhalten“, sagt Schulzig, dem schon das morgendliche Wecken zum Frühstück stinkt. Auch die übrigen Regeln des Wohnheims, wo er sämtliche Mahlzeiten und sozialpädagogische Betreuung erhält, engen ihn ein. Doch eine Bleibe auf dem freien Wohnungsmarkt ist schwer zu finden. Das soll nach dem Willen der Grünen Bürgerschaftsfraktion künftig anders werden.
Eine Studie, die die „Bremer Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e.V.“(GISS) im Auftrag der Fraktion erstellte, liefert für eine Neuordnung der Versorgung von Obdachlosen gewichtige Argumente, meint die sozialpolitische Sprecherin der Partei, Karoline Linnert. Nach Berechnung der Bremer GISS-SoziologInnen könnte die Stadt pro Jahr rund 3,3 Millionen Mark sparen, wenn nur die Hälfte der rund 500 Bremer Plätze für alleinstehende Wohnungslose umgewandelt würde – in „ambulant betreutes Wohnen“in einer eigenen, kleinen Mietwohnung. Viele Drogenkranke und ehemalige Straffällige könnten dort oft „billiger und qualitativ besser“leben als in sozialtherapeutischen Einrichtungen, betreuten Wohnprojekten oder anderen Übernachtungsstätten, die pro Person durchschnittlich zwischen 2.700 und 4.200 Mark monatlich kosten. Zur Zeit verfüge Bremen nur über 47 ambulant betreute „Plätze“, dabei belegten neue Studien über die „Wohnfähigkeit“Obdachloser in Hannover, daß auch Langzeit-Obdachlose mit Unterstützung eigene Wohnungen halten können.
Für ein „Umsteuerungsprogramm“, das die Bremer Grünen im Zeitraum der kommenden fünf Jahre umgesetzt sehen wollen, sprächen aber nicht nur finanzielle Erwägungen, meint die Grüne Linnert. „Selbst wenn sich das unabhängige Wohnen nicht rechnen würde, wäre es richtig. Die eigene Wohnung ist eine elementare Voraussetzung für eine menschenwürdige Existenz.“Nach den Erfahrungen der Sozialpolitikerin ist der Wohnort ein Faktor, der das Leben Betroffener oft entscheidend beeinflußt – bei der Suche nach Arbeit beispielsweise seien bestimmte Adressen ein echtes Hindernis. Daß Politik und Sozialverbände nach den Beobachtungen der Politikerin in den letzten Jahren – trotz Kosten und Bedenken – zunehmend auf die Rundum-Betreuung Obdachloser in Einrichtungen zurückgriffen, führt sie auf eine „unheiligen Allianz“zwischen den wirtschaftlichen Interessen von Trägern sozialer Einrichtungen und von Politiker-Ängsten zurück. Letztere nämlich würden die Vorbehalte von Nachbarn und Vermietern gegenüber problematischen Mietern allzu genau kennen – und unpopuläre Schritte deshalb vermeiden. Daß die Grünen zu Regierungszeiten der Ampelkoalition der Gründung neuer Einrichtungen selbst zugestimmt haben, räumte Linnert freimütig ein. Doch jetzt sei die Zeit zum Umdenken auch angesichts des entspannten Wohnungsmarktes günstig.
In der Bremer Sozialbehörde wird die Forderung der Grünen „von den Zielen her begrüßt.“Daß es auf dem Wohnungsmarkt allerdings noch Spielraum gibt, bezweifelt Behördensprecher Holger Bruns angesichts von 3.000 für überwiegend obdachlose Familien bereits angemieteten Wohnungen und 1.500 Räumungsklagen pro Jahr. ede
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